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Die Neptun-Werft in Rostock ist einer der traditionsreichsten und erfolgreichsten Schiffbaubetriebe Deutschlands. Bis 2022/23 reicht der Auftragsbestand. Seit 1997 gehört Neptun zur Papenburger Meyer-Gruppe, die gleichzeitig der wichtigste Kunde ist

Raimon Strunck hatte vor zwei Jahren die Geschäftsführung von Müller Fahrenholz übernommen. Über einen Mangel an Arbeit kann er seither nicht klagen. Die rund 540 Mitarbeiter haben noch bis 2022 oder sogar 2023 mit den vorliegenden Aufträgen zu tun. »Das ist die gute Nachricht«, sagt Strunck. »Andererseits sind wir so gut ausgelastet, dass wir manchen Auftrag gar nicht mehr annehmen können, was natürlich schade ist.«

In der jüngeren Vergangenheit hatte die Neptun-Werft vor allem einen Kunden: Viking River Cruises. Mehr als 50 Flusskreuzfahrtschiffe wurden allein für die amerikanische Reederei gebaut, es gab jedes Jahr Mehrfachtaufen mit bis zu 10 Schiffen. Dazwischen wurden aber auch andere Schiffe abgeliefert – ein Gastanker oder das neue Forschungsschiff »Sonne« mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel als Taufpatin. Unmittelbar vor der Ablieferung und Taufe steht zudem eine Fähre für die Wyker Dampfschiff-Reederei (W.D.R.).

Sechs Neubauten für Viking

Viking hat im vergangenen Jahr erst einmal das Neubauprogramm kurz ausgesetzt, bevor dann doch wieder sechs Schiffe in Warnemünde bestellt wurden. Sie sollen im kommenden Jahr ausgeliefert werden. Der Hauptkunde ist inzwischen aber dennoch ein anderer: die Meyer Werft in Papenburg, seit 1997 Schwesterunternehmen der Neptun-Werft.

Weil auch die Schiffbauer an der Ems ebenso wie die finnische Meyer-Werft in Turku ein prall gefülltes Auftragsbuch haben, arbeiten die Rostocker ebenfalls an den großen Kreuzfahrtschiffen mit, die mit Gas betrieben werden. Neptun liefert große Maschinenraum-Sektionen – jede um die 140 m lang und komplett ausgerüstet. »Das ist nicht einfach nur Stahlbau, wir fertigen sehr komplexe Einheiten mit den Hauptmaschinen, der gesamten Verrohrung und Verkabelung und der gesamten LNG-Technik einschließlich der Tanks«, berichtet Strunck.

Für die »Aidanova«, das neue Flaggschiff der Rostocker Kreuzfahrtreederei ist das Modul fertig und bereits nach Papenburg gebracht, jetzt folgt die Maschinenraum-Sektion für ein Schiff von Royal Caribbean, dann eines für Costa und dann für ein NCL-Schiff. Künftig sind es jährlich bis zu vier dieser riesigen Sektionen, die nach Papenburg oder Turku geliefert werden. »Inzwischen macht das 3/4 unserer Arbeit aus. Das zeigt, wie begrenzt unsere Kapazitäten inzwischen sind.«

Dass nun auch die benachbarten MV Werften Flusskreuzfahrtschiffe bauen, stört Strunck nicht. »Wir haben ja auch sechs Schiffe im Auftragsbuch, mehr würden wir derzeit gar nicht schaffen.« Es sei gut für die Region, wenn es einen aktiven Schiffbau gebe. Sonst gebe es kaum Berührungspunkte. Allerdings mache sich verstärkt ein Mangel an Fachkräften bemerkbar, vor allem bei den Zulieferbetrieben. »Das macht mir schon eher Sorgen.«

Die Neptun-Werft dagegen investiert in die Zukunft. Auf dem Betriebsgelände entsteht für insgesamt 50 Mio. € eine gewaltige neue Schiffbauhalle mit 180 m Länge, knapp 60 m Breite und einer lichten Höhe von 45m. Statt die großen Sektionen wie bisher in zwei Teilen zu fertigen, können sie künftig in der Halle vereint werden. Außerdem entstehe so Platz für den Bau der großen Flüssiggas-Tanks mit einem Volumen von bis zu 3.500 m3. »Ich kann mir vorstellen, dass wir dieses Geschäftsfeld künftig ausbauen könnten«, sagt Strunck. »Denn das, was wir anbieten können, können nicht viele in

Europa.«

LNG sei in der Seeschifffahrt sicherlich im Kommen, wie die ersten LNG-Kreuzfahrtbauten zeigten. Im Gasbetrieb würden nun einmal deutlich weniger Schadstoffe freigesetzt als bei der Verwendung von Diesel oder gar Schweröl.

Auf Binnengewässern glaubt Strunck dagegen nicht an einen Durchbruch. Die gesamte Technik würde – gerade auf Hotelschiffen – zu viel Platz einnehmen. Die Gastanks hätten schließlich das vier- bis fünffache Volumen von Dieseltanks. Eine vielversprechende Technologie sei hingegen die Brennstoffzelle – »da können mehrere kleinere Einheiten dezentral auf dem Schiff verteilt werden«, so Strunck. Außerdem gibt es dann weder Vibrationen noch den üblichen Lärmpegel. Über die Meyer Werft sei man am Forschungsprojekt e4Ships des Bundes beteiligt. »Wenn wir im Wettbewerb bestehen wollen, geht das nur über die Qualität, die Termintreue und unsere technische Kompetenz«, sagt der Werftchef. Es werde allerdings noch einige Jahre dauern, bis die Brennstoffzelle serienreif und damit bezahlbar wird. Daher würden auch Hybrid-Antriebe mit Elektromotoren oder Batterietechnik künftig sicherlich stärker nachgefragt.


Krischan Förster