Kaum eine Diskussion in maritimen Kreisen kommt heute ohne das Stichwort »Digitalisierung« aus. Wenn sie sinnvoll eingesetzt werden, können IT-gestützte Prozesse in der Praxis helfen, wenngleich gewisse Risiken nicht außer Acht gelassen werden sollten
Digitalisierung ist, gerade in der maritimen Wirtschaft, keine neuer Begriff und auch keine neue Herausforderung. Wer sich an Bord von Schiffen umschaut oder in Häfen oder Reedereien hinter die Kulissen blickt, findet mannigfaltige Prozesse, die seit Jahren auf digitaler Basis laufen. In der Navigation, in der Bordtechnik, in der Hafenlogistik sind Anwendungen, die ausschließlich mit dem Einsatz und der Verarbeitung von digitalen Daten laufen, längst selbstverständlich. Gleichwohl: Durch neue digitale Anwendungen lassen sich erhebliche Potenziale zur Verbesserung des Schiffsbetriebs erschließen, auch die Sicherheit an Bord kann so erhöht werden, wie Experten aus der maritimen Branche auf dem 5. Regionalforum im Maritimen Kompetenzzentrum (MARIKO) in Leerveranschaulichten.
Burkhard Sommer von PricewaterhouseCoopers (PWC) zeigte zukünftige Perspektiven der Digitalisierung in der maritimen Branche auf. »Nur weil ich Laptop und Smartphone nutze, bin ich noch nicht digital«, schickte er eine einfache Erkenntnis voraus. Die zu erwartenden Entwicklungen gingen deutlich weiter. Sie zielten ab auf eine durchgehende Vernetzung von digitalen Informationen zwischen allen am Geschäftsprozess beteiligten Akteuren. Daten aus dem Flottenmanagement seien nicht nur für interne Betrachtungen aufzubereiten, auch Banken, technische Anbieter, externe Dienstleister oder Lieferanten müssten darauf zugreifen und daraus Erkenntnisse ziehen können. »Investoren außerhalb von Banken fordern mehr und schnellere Daten des Schiffsbetriebes«, weiß Sommer.
Die maritime Wirtschaft habe bislang neue Technologien erst dann eingesetzt, wenn sie woanders schon erprobt seien. Das habe, verbunden mit »einem Hauch von Intransparenz« gewisse Geschäftsmodelle in gewissem Umfang geschützt. Dieses Modell ließe sich aber nicht aufrechterhalten. Die Transparenz, die durch Digitalisierung geschaffen werde, biete zudem Planungssicherheit bei den Reedereien und in den Häfen. Dabei sei die Digitalisierung kein Rettungsanker, wohl aber ein Instrument zu einer besseren Performance. Im Kern der Frage, wie weit die Digitalisierung gehe, stehe die Anforderung seitens der Kundschaft. »Was mein Kunde will, ist und bleibt zentral«, so der PWC-Berater. Ebenso sicher sei aber auch, dass sich die Digitalisierung nicht aufhalten lasse.
Klar sei zudem, dass mit zunehmender Digitalisierung und Transparenz auch die Anforderungen an Datensicherheit steigen müssten. »Je digitaler, desto angreifbarer«, lenkte Sommer den Fokus auf den wichtigen Aspekt von Cyber-Security.
Was Digitalisierung in der Praxis bedeuten kann, machte Hendrik Witt am Beispiel der neu entwickelten Hafenapp »Port-Spot« deutlich. Das von NiedersachsenPorts (N-Ports) beauftragte und von der Firma Inplan entwickelte Angebot für Smartphones sei derzeit für den Hafen Emden in der Pilotphase. »Die bisher erforderlichen Meldezettel waren oft nicht lesbar, die Weiterverarbeitung der Anmeldedaten durch handschriftliche Übertragungen schwierig und mit Fehlern behaftet«, so Witt. Die Smartphone-Lösung biete nun eine unentgeltliche Möglichkeit, Schiffsanmeldungen und -abmeldungen digital vorzunehmen. Das mache es den Schiffsbesatzungen leichter, zumal bei wiederholten Anläufen die Stammdaten nicht neu eingegeben werden müssten. »Die Maske lernt mit«, erklärte Witt.
In maximal acht Eingabemasken würden alle relevanten Daten über Schiff /Abfahrt, Ankunft, Kurs und Ladung (Stoffklasse, Gefahrgut etc.) erfasst. Der Kapitän könne sich für einen Liegeplatz anmelden, der je nach Verfügbarkeit bestätigt oder korrigiert werde. Auch der Austausch von notwendigen Ladungspapieren erfolge via Smartphone. Dazu könne auch die Kamerafunktion des Smartphones eingesetzt werden. Die Kommunikation zwischen Schiff und Hafen erfolgt unter anderem über eine Chatfunktion.
In der Praxis führe die mehrsprachige App, die auch als Desktop-Version verfügbar sei, zu einem klaren und verlässlichen Austausch von Daten und so zur besseren Organisation für die Häfen und die Schiffscrew. Nach Abschluss der Pilotphase werde die App auch für andere NPort-Häfen eingeführt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich mit der Digitalisierung Chancen aber auch Risiken verbinden. Datengetriebene Geschäftsmodelle und -abläufe werden zukünftig und weiter verstärkt Einzug halten, auch in die maritime Branche hinein. »Warten und Zuschauen« mag für manche Akteure die Strategie der Wahl sein.
»Die Digitalisierung sollte Teil der Gesamtstrategie sein«, dieser Rat von Burkhard Sommer dürfte das passende Mittelmaß für die nicht aufzuhaltende Entwicklung eher treffen.
Hermann Garrelmann