Die Ostseeverkehre haben für den Hamburger Hafen weiter eine enorme Bedeutung.
Die Eisenbahn nimmt hier eine immer wichtigere Stellung ein, während das Feederschiff bei diesen Destinationen insgesamt an Einfluss verliert
Vor etwa zehn Jahren waren Feederverkehre für den Hamburger Hafen ein zentrales Element, insbesondere in den Ostseeraum. Der Anteil dieser Zulieferschiffe lag bei rund 30%. Das hat sich inzwischen deutlich geändert. Jüngst sprach Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), von nur noch etwa 9%.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Axel Mattern, Vorstand von Hafen Hamburg Marketing (HHM) führte im Gespräch mit der »Binnenschifffahrt« die Direktanläufe der Containerschiffe in die Ostsee als einen wesentlichen Faktor an. Früher hatten beinahe ausschließlich Feederschiffe den Boxentransport in die Ostseeregion übernommen. Doch seitdem die großen Containerterminals in Göteborg und Danzig aktiv sind, laufen dort nun auch Einheiten mit 18.000TEU und mehr ein.
Mit der Zeit sind auch die Feederschiffe immer größer geworden, teilweise übernehmen größere Seeschiffe mit Kapazitäten von bis zu 7.000TEU nun die Zubringerdienste. Diese Einheiten sind inzwischen so groß, dass sie nicht den Nord-Ostsee-Kanal (NOK) befahren können, der von vielen Feederlinien in die Ostsee normalerweise benutzt wird. Diese Schiffe fahren also mittlerweile nördlich an Hamburg vorbei durch Skagerrak und Kattegat und machen dann an den Seeschiffterminals in Göteborg, Arhus oder Danzig Station. »Feederverkehre sind originäre Verkehre, die nicht nach Hamburg müssen«, erläutert der HHM-Vorstand. Auch wegen der fehlenden Fahrrinnenanpassung der Elbe hätten sich Reeder umstrukturiert und würden nun direkt mit ihren Schiffen in die Ostsee fahren, ferner hätten sich die Transshipmentnetzwerke gewandelt, zudem seien einige Feederreedereien verschwunden.
Diese Entwicklung begünstigt haben die günstigen Bunkerpreise, denn mittlerweile ist ein Direktanlauf in der Ostsee für viele Reedereien lukrativ. »Viele Schiffe nutzen dies, um dann auch gleich in Russland zu bunkern«, erklärt Jens Meier, Vorstand der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority (HPA). Dort sei das Bunkern teilweise um bis zu 40% günstiger.
Ungeachtet dessen habe die Ostseeregion weiterhin eine »essenzielle Bedeutung für den Hamburger Hafen«, wie Mattern bekräftigt, denn sie sei einer der wichtigsten Hinterlandmärkte auf der Wasserseite, bei der Schiene sowie für die Lkw-Verkehre. Allerdings hätten sich einige Transshipmentverkehre von Hamburg in die Westhäfen verlagert, weil die Kapazitäten durch die nicht realisierte Fahrrinnenanpassung der Elbe begrenzt gewesen seien. Zusätzlich habe es bei den Russlandverkehren deutliche Einbußen gegeben, durch die Sanktionen gegen das Land, aber auch durch die dortige wirtschaftliche Lage allgemein.
Die Entwicklung auf der Schiene über die Neue Seidenstraße gewinnt nach Aussage Matterns im Vergleich dazu stark an Bedeutung. Für Verkehre aus Asien nach Europa habe die Ostseeregion einen hohen Stellenwert. Es gelte aber, vor allem bei der Umspurung – also wenn ein Schienenfahrzeug von einem Eisenbahnnetz in ein anderes gerät – noch Herausforderungen bei der Infrastruktur zu lösen. Hier könnten wiederum die Häfen Abhilfe schaffen, bei Verkehren, die nur bis zur Umspurungsgrenze gefahren werden könnten. Diese Güter könnten über die Baltischen Staaten abgefertigt und per Schiff weitertransportiert werden.
»Wir haben gut funktionierende logistische Netzwerke«, so Mattern. Nun gelte es, die Partner zu binden. Diesbezüglich würden sicherlich Diskussionen mit Kaliningrad oder den Baltischen Staaten geführt werden, um sich über die Verkehre und deren Steuerung auszutauschen. Dass sich die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) in Tallin angesiedelt habe, trage sicherlich dazu bei, dass Verkehre aus diesen Regionen über Hamburg geführt würden. Die Schiene sei zwar in gewissem Maße limitiert, dennoch sei vieles durch die Seidenstraßeninitiative in Gang gesetzt worden.
Darüber hinaus erwartet Mattern künftig, dass Transshipmentverkehre wieder stärker über den Hamburger Hafen abgewickelt werden. Er begründet dies mit der günstigen geografischen Lage der Hansestadt mit der Nähe zu den Häfen im Ostseebereich. Die Möglichkeit der Feederreeder, schnell zu Laden und zu Löschen, sei in Hamburg am einfachsten. Letztlich sei aber der Preis das entscheidende Kriterium, was einen Reeder veranlasse, den Gütertransport über den jeweiligen Hafen abzuwickeln, erläutert Mattern. Diesen würden aber die Terminalbetreiber festlegen. »Werden die Preise erhöht, gibt es weniger Transshipmentumschlag, werden sie gesenkt, gibt es mehr«, verdeutlicht der HHM-Vorstand. Diese Dinge würden individuell vertraglich mit den Reedern geregelt.
Thomas Wägener