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Das Netzwerk für den von Shell entwickelten Kraftstoff GTL (Gas to Liquids) erweitert sich stetig. Das umweltschonende Produkt wird nun auch in der Region Magdeburg angeboten. Zudem rückt der süddeutsche Raum in den Fokus

Für den Raum Magdeburg ist das Unternehmen Mundt zuständig. »Wir bieten GTL jetzt entlang der Autobahn A2 an, also bis in den Großraum Berlin, Braunschweig und Hannover«, sagt Vertriebsspezialist Thomas Wojtzyk. Somit können nun auch Schiffsführer auf der Elbe sowie im Elbe-Havel-Kanal und im östlichen Teil des Mittellandkanals den synthetischen und nahezu geruchsneutralen Kraftstoff beziehen. Dieser wird per Schiff oder alternativ über die Schiene in großen Kesselwagen zum Tanklager »MUT» nach Magdeburg transportiert. Von dort geht es per Lkw im Straßentransport weiter zu den Abnehmern.

Der Preis für das aus Erdgas gewonnene und biologisch abbaubare GTL sei regional unterschiedlich, sagt Wojtzyk. Im Durchschnitt müsse bei einem normalen Bunkervorgang pro Liter etwa 5 bis 7 Cent mehr ausgegeben werden als für herkömmlichen Dieselkraftstoff, berichtet Mathias Kaufmann, Marketing Executive DACH GTL/OEM bei Shell Deutschland Oil. In der Regel soll GTL im Tanklager von Mundt in Magdeburg ausreichend verfügbar sein. »Wir haben eine Vorlaufzeit von einem bis drei Werktagen«, sagt Wojtzyk. Schiffsführer könnten den Kraftstoff also relativ kurzfristig beziehen.

Weiße Flotte Potsdam nutzt GTL

Die Zahl der Kunden steigt stetig. Seit Jahresbeginn zählt auch die Weiße Flotte Potsdam dazu (siehe S.32 ff). Dort ist GTL seither an der unternehmenseigenen Tankstelle verfügbar. Ferner gebe es einige Interessenten im Berliner Raum, so Kaufmann.

»Die Diskussion um Feinstaubbelastung und Stickoxyde in der Schifffahrt ist allgegenwärtig«, begründet Jan Lehmann, der zusammen mit Jörg Winkler die Geschäfte der Weißen Flotte Potsdam führt. Davor könne man sich nicht verschließen. GTL sei ihm seit längerer Zeit bekannt. Schließlich habe er mitbekommen, dass die Firma Mundt in Magdeburg künftig diesen Kraftstoff anbiete.

»Wir wollen einen Beitrag zur Umweltschonung leisten und haben deswegen entschieden, unsere zehn Schiffe umfassende Flotte mit GTL zu betreiben«, nennt Lehmann die Beweggründe für die Umstellung. »Einer muss vorangehen, ich bin gerne Vorreiter«, ergänzt er. Dass es funktioniert, sei bewiesen, folglich sei ihm die Entscheidung relativ leicht gefallen.

Überzeugt habe ihn auch die Unkompliziertheit, denn »es bedarf keinerlei Umrüstungen des Motors.« Ein weiterer Vorteil: GTL könne in einem beliebigen Mischverhältnis gefahren werden und reduziere den Schadstoffausstoß um bis zu 30%.

Lehmann benötigt nach eigener Aussage bisher etwa 330.000 l Dieselkraftstoff im Jahr. Da er nicht nur die eigenen Schiffe an seiner Tankstelle versorgt, bietet er GTL jetzt auch seinen Kunden an. Diese habe er im Vorfeld darüber informiert. »Ich habe keinen einzigen Kunden dadurch verloren«, sagt Lehmann. Im Gegenteil, es gebe eher zusätzliche Anfragen.

Positives Feedback aus der Praxis

Erste Effekte der Umstellung seien bereits sichtbar, wie Lehmann berichtet: »Die Rußbildung wird deutlich verringert.« Darüber hinaus habe er Rückmeldungen seiner Schiffsführer bekommen, dass die Motoren ruhiger liefen. Ferner reduziere sich die Geruchsbelästigung, was auch die Kunden schätzten. Darüber hinaus sei GTL schwefelfrei und enthalte keine aromatischen Verbindungen oder organischen Stickstoff.

Kaufmann zufolge soll Anfang Juni auch in München ein zusätzliches Lager eröffnet werden. Dadurch erweitert sich die Verfügbarkeit für den süddeutschen Raum. Ein Erstkunde stünde auch schon fest, sagt er ohne einen Namen zu nennen. Kaufmann berichtet von aktuell rund 40 Vertriebspartnern für das Produkt. Damit sei es in Deutschland flächendeckend verfügbar.

Neben der weiteren Bekanntmachung war das ein wesentliches Ziel von Shell, sagt Kaufmann. Es sei aber denkbar, dass es punktuell noch das eine oder andere Lager zusätzlich geben werde. Dies hänge letztlich von der Nachfrage ab.

Auch in das internationale Vertriebsnetz kommt Bewegung. Seit Februar ist das Lager im französischen Straßburg für deutsche Partner verfügbar. Der Bereich der Donauwasserstraße soll künftig ebenfalls angegangen werden, erläutert Kaufmann, ohne einen Zeitrahmen zu nennen. Somit könnten dann auch Schiffe das umweltschonende Produkt beziehen, die in Österreich und in Richtung Schwarzes Meer unterwegs sind.

Hamburg ist Großabnehmer

Einer der ersten Nutzer von GTL in der Binnenschifffahrt war Albrecht Scheubner, Schiffsführer der »Jenny«, auch bekannt als »MS Wissenschaft«. Seit rund drei Jahren wird der ehemalige Frachter damit betrieben. Scheubner war vom ersten Tag an von dem innovativen Produkt überzeugt, für ihn kommt kein anderer Kraftstoff mehr in Frage.

Einer der Pioniere in der Flusskreuzschifffahrt war die Reederei Scylla, die GTL im Herbst 2015 auf vier ihrer Einheiten getestet hat. Flusskreuzfahrt- und Personenschiffe würden das innovative Produkt derzeit hauptsächlich verwenden, bestätigt Shell.

»Den Großteil des GTL liefern wir in den Hamburger Hafen«, sagt Kaufmann. Angeboten wird es hier von Hamburg Bunker-Service (HBS). Einer der Großkunden ist die Flotte Hamburg, Tochterunternehmen der Hamburg Port Authority (HPA). Betreiber von Hafenfähren und Barkassen sind dem Beispiel rasch gefolgt, wie etwa der Reeder Gregor Mori, Geschäftsführer von Gregors, der darin einen guten Beitrag für ein nachhaltiges Flottenmanagement sieht. Die Hamburger Barkassenunternehmen Glitscher, Bühlow und Meyer haben schnell nachgezogen und auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) betreibt ihre Flotte inzwischen mit GTL.

Erstkunde aus Berufsschifffahrt

HBS-Geschäftsführer Frank Böhm sagt, dass derzeit etwa 80 bis 85 Schiffe im Hamburger Hafen mit GTL fahren. Sein Unternehmen bietet den Kraftstoff seit August 2016 in der Hansestadt an.

In der Berufsschifffahrt wird das Produkt im Unterschied zur Personenschifffahrt kaum verwendet. Hier konnte kürzlich aber der Erstkunde gewonnen werden. Nach Informationen der »Binnenschifffahrt« handelt es sich um die B. Dettmer Reederei.

»Alle Nutzer äußern sich durchweg positiv«, berichtet Böhm. Aus seiner Sicht mache es auch aus Arbeitsschutzgründen Sinn. Personal, das beispielsweise die Kraftstofffilter an Bord wechseln müsse, werde davon profitieren. Ferner würden die Wartungsintervalle verlängert. Kaufmann berichtet ebenfalls von positivem Feedback, räumt aber ein, dass man bei der Umstellung ein paar technische Details beachten muss. Die Schwierigkeiten seien in erster Linie entstanden, weil Ratschläge nicht befolgt worden seien. »Auch aus diesem Grund ist eine Nähe zu den Kunden wichtig, um bei Auffälligkeiten schnell Abhilfe schaffen zu können«, betont er.

Weltweit gibt es derzeit nur zwei Anlagen von Shell, die das Produkt herstellen. Eine befindet sich in Malaysia, die aber den asiatischen Markt versorgt, die andere in Katar. Von hier wird das GTL mit Produkttankern nach Rotterdam transportiert. Von dort geht es mit etwa 1.800t großen Binnentankschiffen oder per Bahn an die Depots, von wo es von den Vertriebspartnern zumeist per Lkw zu den Endkunden befördert wird.

Seit Januar gibt es auch im Süden von Frankreich in Marseille/Fos ein zusätzliches Importterminal. Dadurch könnte GTL dann auch hier besser verteilt werden, sagt Kaufmann, der neben Deutschland und Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Großbritannien als die wichtigsten Märkte identifiziert.

In der Anfangszeit, als GTL kaum jemand in der Binnenschifffahrt kannte beziehungsweise nutzte, wurde der Kraftstoff noch per Lkw aus den Niederlanden nach Deutschland geliefert. Der lange Transportweg war seinerzeit hauptauschlaggebend, weshalb GTL anfangs mehr als 10 Cent pro Liter teurer war als herkömmlicher Dieselkraftstoff.

Bezüglich der Verfügbarkeit ist also bereits die nächste Stufe erreicht und auch der Preis ist im Vergleich zur Anfangszeit schon ein wenig gefallen. Für Kaufmann ist das ein wichtiger Aspekt: »Wenn die Kosten nicht zu hoch sind, haben die Kunden durchaus die Bereitschaft, die Mehrkosten für GTL zu bezahlen und damit einen Beitrag zur Umweltschonung zu leisten.«
Thomas Wägener