Eine Chemiefabrik schippert die Saale hinab

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Eine ganze Chemiefabrik ist jetzt von Leuna um die Stadt Halle herum zum Schwerlastkai nach Pfützthal bei Halle gebracht worden, von dort ging es weiter nach Hamburg. Die Schiffsführer mussten schwierige nautische Bedingungen meistern

Ursprünglich wollte das irische Chemieunternehmen Quinn Chemicals in Leuna eine Produktion von flüssigem Kunststoff aufbauen. 350Mio. € sollten investiert werden, rund 900 Arbeitsplätze waren versprochen. Dann kam die Finanzkrise und Quinn Chemicals ging das Geld aus, 2013 folgte die Insolvenz.

Da waren allerdings schon zehn große Anlagenteile geliefert. Zwischen November 2007 und April 2008 waren sie, aus Japan und China kommend, von Hamburg aus mit Schubtechnik der Deutschen Binnenreederei (DBR) nach Leuna transportiert worden. Das längste der zehn Kolli maß 66m in der Länge, ansonsten bis zu 7,80m Breite und 6,70m Höhe. Im Rahmen einer internationalen Ausschreibung hat jetzt ein chinesischer Chemieriese die zehn Kolli gekauft – nach elf Jahren gingen sie jetzt wieder retour.

Alles sollte in drei Tagen und in einem Tross von zehn speziellen Schwerlast-Lkw von 500m Gesamtlänge durch die Firma Bohnet aus Baden-Württemberg von Leuna nach Pfützthal gebracht und dort per Schwerlastkran in acht Schubleichter der DBR verladen werden. Einige Straßen westlich von Halle und die A 38 nach Göttingen mussten hierfür zeitweilig gesperrt werden.

Die Umschlagstelle in Pfützthal war auf Betreiben der DBR bereits Mitte der 1990er Jahre errichtet worden, um Stückgewichte von mehreren 100t bei einer Länge von mehr als 60m und einem Durchmesser von bis zu 8m um die Stadt Halle herum nach Leuna transportieren zu können.

Von Pfützthal aus pendelten dann die Schubschiffe 2636 mit Michael Beck und 2640 mit Dietmar Felke mit je einem Leichter zunächst bis zur Schleuse Calbe. Bei sehr niedrigen Wasserständen ging es die Saale zu Tal nach Barby.

In Barby warteten die Schubboote »TR 17« und »Muflon-9« mit den ersten vier Leichtern. Die Schubeinheiten 2636 und 2640 folgten mit den restlichen vier Leichtern nach Hamburg, wo die Kolli in ein Seeschiff mit Zielhafen in China umgeladen wurden.

Der Transport der beiden tiefgehenden Einheiten war nur durch die Zugabe von Zuschusswasser über das Wehr Calbe möglich. Dafür war der Wasserstand am Unterpegel Calbe um mehr als 30cm (31–34cm) angehoben worden. Damit war rechnerisch eine Fahrrinnentiefe von mindestens 1,31m vorhanden. Eingentlich betrug sie nur 1,0m.

Da mehr Wasser abgegeben wurde, als aus den oberen Stauhaltungen nachfließen konnte, fiel der Unterpegel Bernburg um 32cm auf den Tagestiefstwert von 77cm. Durch Zugabe aus der Stauhaltung Bernburg konnte ein weitere Abfall verhindert werden. Dies war auch notwendig, da die Solvay-Werke in Bernburg ihr Kühlwasser aus der Saale beziehen und dies nur bis zu einem bestimmten Pegelstand gewährleistet werden kann.

Im späteren Verlauf wurden die Stauhaltungen Calbe und Bernburg wieder aufgefüllt. Dadurch fiel der Unterpegel Calbe rapide ab und erreichte mit 2,89m den Tiefststand. Erst einen Tag später hatten sich die Wasserspiegellagen wieder normalisiert, in Calbe wurde ein Pegelwert von 3,28m gemessen, was einer Fahrrinnentiefe von 1,03m entsprach.

Erst danach konnten die Transporte fortgesetzt werden. Die Bedingungen für die Schubverbände blieben aber herausfordernd, da nur etwas über 10cm Flottwasser vorhanden waren. Aber es lief nach Angaben der Beteiligten alles glatt, sodass am 10. Juni die letzten Leichter am Saalhorn zu Verbänden zusammengestellt werden konnten und die beiden Schubboote mit den letzten vier Behältern ihre Fahrt über die Elbe nach Hamburg starten konnten.

* Wir danken Kai Bandau aus dem WSA Magdeburg, David Schütz von der DBR sowie Dietmar Felke und Theo Grötschel für Fotos und fachliche Hinweise.


Christian Knoll