Die niederländischen Binnenhäfen legen den Schalter um auf Zukunft. Auf ihrer diesjährigen Mitgliederversammlung in Deventer diskutierten sie Visionen und eine strategische Agenda, mit denen sie die Herausforderungen meistern wollen
Schon die Wahl des Tagungsorte wies darauf hin, was als Hauptthema künftig bei den niederländischen Binnenhäfen im Mittelpunkt stehen wird: Zusammenarbeit. So tagte man in Deventer, in einem umgebauten ehemaligen Getreidespeicher, nicht am Standort nur eines einzelnen Hafens. Ausrichter der Jahrestagung der Nederlandse Vereniging van Binnenhavens (NVB) waren die Häfen von Zwolle, Twente und Deventer. Diese drei Häfen haben trotz ihrer sehr unterschiedlichen Profile und Angebote gemeinsam eine Marktpräsenz erreicht und ein weit reichendes Netzwerk geflochten und so ihre Position deutlich effektiver gemacht. Mittelfristig strebt man eine Funktion als Knotenpunkt innerhalb des North-Sea-Baltic-Corridors an.
Für die NVB-Häfen sollen mit folgenden Themen die Potenziale der Zukunft gehoben werden: Digitalisierung, Erreichbarkeit, Nachhaltigkeit und Zukunftssicherheit, Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Energiewende und Kreislaufwirtschaft.
Motto der Tagung war das kurze niederländische Wort »Lef«: »Wir gebrauchen ›Lef‹ seitens der Unternehmer und der Behörden, um Häfen zu entwickeln und zukunftssicher zu machen«, hatte der Tagungspräsident gefordert. Mit anderen Worten: man solle mehr »Traute« an den Tag legen, auch mit dem Risiko, dass manchmal etwas anders läuft als geplant.
Eric Janse de Jonge, Vorsitzender des NVB, versprach, bei den Gesprächen zum »Green Deal«, einer Vereinbarung zwischen dem niederländischen Staat und dem Schifffahrtsgewerbe für mehr Umweltschutz in der Binnenschifffahrt, in Den Haag eine starke Position einzunehmen. »Den Schiffern muss geholfen werden, auch bei der Anschaffung neuer umweltfreundlicher Motoren«, forderte der Vorsitzende.
Höhere Hafengebühren erwartet
Intensive Gespräche gebe es auch zum neuen Hafenplan (Nota Haven) des Ministeriums für Infrastruktur und Wasserwirtschaft. Obwohl er dazu erst Anfang des kommenden Jahres Details nennen könne, sei schon jetzt klar, dass an all den Forderungen für mehr Umweltschutz »ein Preisschild klebe«, so der Vorsitzende. Mit einer Steigerung von 5% bei den Hafengebühren sei sicher zu rechnen.
Bart Kuipers, er lehrt an der Erasmus-Universität, wies auf die Notwendigkeit der Binnenhäfen hin, sich zukünftig der CO2-Reduzierung zu widmen. »Wir haben ein Klimaprogramm, aber die Binnenhäfen sind noch immer sehr fossil ausgerichtet«, begründete Kuipers. Insofern sei bei den Binnenhäfen eine Trendwende nötig. »Dafür müssen wir alle Möglichkeiten aus dem Werkzeugkasten holen«, forderte er und stellte an einer Reihe von Beispielen dar, wie Binnenhäfen auch als Recyclingort, als Umschlagort, als Hub für Baumaterial oder auch für die Kreislaufwirtschaft dienen könnten.
Im Polo-Verband (Port of Logistics Overijssel) arbeiten die Häfen von Deventer, Twente und Zwolle eng zusammen, um die heutige Position als logistische Drehscheibe erhalten und ausbauen zu können. Deren Vertreter erklärten, was denn die Zusammenarbeit bis heute bewirkt hätte. Jeroen van den Ende, Managing Director vom Port of Zwolle: »Wir kennen einander inzwischen gut, wir gehen beispielsweise zusammen zu Messen und das ist schon ein Erfolg. Wir haben tatsächlich gemeinsam miteinander Geschäfte gemacht. Auch besprechen wir auf der Ebene von Polo die Niedrigwasser-Problematik, wir tauschen viele technische Informationen aus.« Seine Botschaft: spring über deinen Schatten, dann kannst du viel Geld verdienen.
Der Manager des Hafens vom Port of Twente, Gerry Waanders, merkte an, dass die Zusammenarbeit oft nicht von allein gehe. »Man muss die Traute haben, zusammenarbeiten zu wollen, auf den Gebieten, wo Chancen liegen.« Der Deputierte der Provinz Overijjsel, Bert Boermann fand es sehr wichtig, dass«Polo konzentriert zusammen arbeitet: »Das hat bereits geholfen beim Verschieben von Ladungsströme in den Häfen.« Seine Botschaft: bündele die Kräfte, benutze das vorhandenen Wissen und gönne dem anderen etwas.
Auch Willem van Ark, Direktor des MCS Terminals in Meppel, nannte Polo eine gute Entwicklung. Trotzdem gebe er eine kritische Anmerkung: Viele Gemeinden wollten gegenwärtig Terminals entwickeln, das aber sei nicht immer machbar – oder sinnvoll. Ein Terminal sei schnell gebaut, aber danach müsse es entwickelt und betrieben werden. Ein Beispiel für »Traute« sei auch die Entscheidung, ein Terminal einmal nicht zu bauen.
Das Stichwort »Zusammenarbeit«, auch über Grenzen hinweg, führte am Ende der Tagung zur obligatorischen Ankündigung des nächsten Tagungsortes. Die NVB-Versammlung wird am 2. Oktober 2020 in Venray stattfinden. Dort wird Blue Ports Limburg als Ausrichter den Blick auch über die Grenze nach Deutschland richten.
4Shipping
Auf der NBV-Tagung wurde ebenfalls die neu entwickelte Befrachtungsapp 4Shipping vorgestellt. Einerseits ist hinter der App eine ausgewachsene Befrachtungsplattform mit vielseitigen Funktionalitäten verborgen. Hier werden Binnenschiffer mit Laderaum mit Verladern und Befrachtern zusammen geführt. Anderseits bringt 4Shipping aber auch eine Reihe von Informationen über wichtige Einrichtungen. Schleusen, Brücken und Liegeplätze sind mit ihren wichtigsten Daten und Informationen hinterlegt. Bereits in der Beta-Phase gibt es zu vielen Flüssen und Kanälen aktuelle Wasserstandsangaben, mit denen die maximale Abladung generiert werden kann. Informationen über Autosteiger und Bunkerstationen runden die informative Seite der App ab, die Schiffern, Verladern und Betrieben erlauben soll, Frachtreisen verlässlicher zu planen Die vorliegende Entwicklung lässt sich landesweit und darüber hinaus einsetzten und anpassen. Jan Snoiei, der an 4Shipping mit gearbeitet hat, beschreibt die Nutzen so: »Wir haben GoogleMaps für die Binnenschifffahrt erstellt.« Die App läuft sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Arbeitsplatzrechner.
Hafengeldstruktur
Koen de Korte, Student an der Erasmus-Universität, hatte im Auftrag des NVB eine Untersuchung zur zukünftig sinnvollen Struktur des Hafengeldes erarbeitet. Seine Untersuchung bestätigte, dass die bisherigen Grundlagen des Hafengeldes, die auf das maximale Ladevermögen und oft dazu ein Wochenticket abstellen, eine Barriere für Vergleichbarkeit darstellen. Auch sei dieses hinderlich für eine Steigerung der Effektivität und behindere einen größeren Anteil am Modal Split für die Binnenschifffahrt. Auf der Basis wissenschaftlicher Betrachtung stellte de Korte eine neue Basisstruktur vor: einen zeitgebundenen Anteil, bemessen an der tatsächlichen Liegezeit im Hafen, einen quantitativen Anteil, bemessen an der Menge (in Tonnen) oder der Anzahl (in TEU) umgeschlagener Einheiten sowie einen »grünen« Anteil, bemessen am gestuften System der Green Award Foundation oder vergleichbarerer Systeme. Mit Anwendung dieser drei Bemessungsgrößen, die für jeden Hafen nutzbar sei, entstehe ein gewisser Standard, der verlässlich genutzt werden könnte.
Hermann Garrelmann