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Spätestens die Ankunft der »Black Marlin« im August in Rotterdam war ein eindeutiges Zeichen für eine Neubauwelle bei Binnenschiffen. Ob mit Tankern oder Trockenfrachtern, Werften wie Zulieferer haben, zumindest in den Niederlanden, alle Hände voll zu tun

Mit 18 Binnenschiff-Kaskos beladen kam das Spezialschiff von Dockwise aus China. Für Nick Bakker von der Branchenvereinigung NMT (Netherland Maritime Technology) ist klar: »Der Neubaubereich für Binnenschiffe zeigt eine Hochphase.«

Das spiegeln auch die Zahlen wieder: Wurden zwischen 2013 und 2016 jährlich rund 30 Neubauten in Fahrt genommen, sind es in den vergangenen beiden Jahren jeweils rund 50 Neubauten. »Auch in diesem Jahr sieht es gut aus«, weiß der NMT-Experte. Zu den aus China gelieferten Kaskos kämen – auf eigenem Kiel – auch Rohbauten aus Rumänien, Serbien und Polen.

Dabei ist es nicht allein eine konjunkturell erhöhte Nachfrage. Mit Blick auf die verschärften Anforderungen an die Emissionen (NRMM – Stage V), die ab dem kommenden Jahr für sauberere Motoren in Binnenschiffen sorgen soll, haben viele Reeder noch zu den schwächeren Bedingungen der aktuellen Umweltnormen (CCR2 aus 2007) ihre Neubauten bestellt. Das hat auch viele Eigner dazu bewogen, Neumotorisierungen vorzuziehen und noch in diesem Jahr ihren Schiffen ein neues Antriebsaggregat zu geben.

Während die große Kasko-Ladung aus Fernost nun auf den Abbau bei Werften und Zulieferern wartet, ging in den vergangenen Wochen bereits eine Vielzahl an Neubauten oder Umbauten in Fahrt. Binnentanker wie Trockenfrachter wurden ebenso abgeliefert wie Flusskreuzer und Beunschiffe (Schiffe für Sand- und Schlicktransporte). In der Gesamtbetrachtung lässt sich erkennen, dass 2019 kräftig investiert wurde. Unter den Auftraggebern der Neubauten der vergangenen Monate sind auch deutsche Reedereien und Partikuliere.

Trendsetter: Sendo Liner

Die größte Aufmerksamkeit in der Branche zog zweifellos der Sendo Liner auf sich. Dieser bei Concordia Damen in Werkendam gebaute Containerfrachter erhielt nicht nur einen optimierten Rumpf. Sein Antriebskonzept mit dieselelektrischem Kern und der Einbeziehung von großen Akkupacks waren Grund genug ihn als das »Schiff des Jahres« auszuzeichnen. Die in dem Akkupack gespeicherte Energie lässt es zu, dass das Schiff zumindest temporär ohne (lokale) Emissionen fahren und agieren kann. Zudem ist die Antriebstechnik offen gehalten, so dass künftige Umrüstungen auf kompletten Elektroantrieb oder Wasserstoff machbar sind. Im Vergleich mit Schiffen gleicher Abmessung hat der Sendo Liner, der als Serie gebaut werden soll, 8% mehr Transportvolumen und einen um 40% reduzierten CO2-Ausstoß. Mit der »Sendo Mare« ist bereits ein zweites Schiff im Abbau begriffen.

Beunschiff mit vielen Neuerungen

Mit einer ganzen Palette an neuen Ausstattungen kommt auch der Neubau des Beunschiffs von Johan und Digna Faasse daher. Zusammen mit ZMS (Zeeland Maritiem Service) aus Wemeldinge entwickelte Faasse das Konzept, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit seinem bisherigen Schiff, der »Philipskercke I«. Der auf den Namen »Philipskercke II« getaufte 86m lange Sand- und Schlicktransporter ist bewusst mit einer verringerten Antriebskraft ausgestattet. Mit zwei je 650 PS starken Maschinen von Volvo Penta, die jeweils einen Dreiflügel-Propeller antreiben, ist das Schiff zwar langsamer unterwegs. Das mache es aber genügsamer, da die Maschinen öfter im optimalen Bereich laufen würden, sagt Johan Faasse. Hinter den Motoren sind Rußfilter und Abgasnachbehandlungsanlagen geschaltet. Als Rudervorrichtung entschied sich der Eigner für eine Easy-Flow-Lösung von De Waal. Erstmals wurden die Propeller mit einer Stuwa-Strömungskappe versehen. Die sollen die Kavitation verringern und die Abströmung verbessern. Messungen am Abgasauslass, bestätigen, dass die Anforderungen der Stage V erreicht werden.

Die beiden Gensets füttern das bordeigene Akkupack, so sind in bestimmten Situationen auch geräuscharme Einsätze möglich. Wie die Gensets sind auch die Hauptmaschinen mit dem Kühlkreislauf an die Heizung angeschlossen. Sie versorgen einen zusätzlichen 1.000l Warmwasserbehälter mit der nötigen Heizungswärme. Bemerkenswert sind auch die überall an Bord sichtbaren Edelstahl-Teile, die einen pflegeleichten Betrieb ermöglichen sollen.

Neue »Tom Burmester«

Im Oktober kam auch der jüngste Tankerneubau der Reederei Burmester in Fahrt. Die neue »Tom Burmester« ersetzt das gleichnamige Schiff der Reederei aus dem Jahr 2000. Mit 85m x 9,60m ist das Schiff aus der Sunrise-Serie der GSYard aus Waterhuizen ein typisches Kanalschiff. Reedereichef Christian Büchting, der an der Entwicklung des Sunrise-Konzeptes beteiligt war, entschied sich auch bei diesem Neubau, dem jetzt vierten Sunrise-Tanker der Flotte, für zwei DH13-Hauptmaschinen von Volvo Penta Europe. Den Schub bekommt der neue Tanker von zwei vierflügeligen Promarin-Schrauben mit 1.400mm Durchmesser. Als Bugstrahler ist ein Verhaar-Omega mit 1.000mm verbaut. Die Rudertechnik mit zwei hydraulisch bewegten Ruderblättern wie auch die Propellerdüse von Optima wurde von Damen Marine Components bezogen.

Von All Pumps Holland kommt das gesamte Paket an Pumpen, die elektrische und elektronische Ausstattung, darunter auch das Tankmess- und Alarmsystem versorgte Kadlec & Brödlin. Das Steuerhaus einschließlich der hydraulischen Hebetechnik und der Autokran stammen von der Maschinenfabrik van Wijk. Die nautische Apparatur wie auch die Kommunikationstechnik mit Radar, Kompass, AIS und mehr stammt von Alphatron.

Das von Lloyd’s Register (LR) klassifizierte Schiff komplettiert die Flotte der Reederei Burmester und bietet eine gute Basis für die zukünftige Entwicklung des Schifffahrtsunternehmens.

Gelbblaue Zwillinge von GSYard

Die beiden Tanker »Westerhuesen« und »Westerode« gingen im Abstand von wenigen Wochen bei der GSYard in den »Ablieferungshafen« des Werftgeländes. Den Auftrag für die beiden leuchtend gelbblauen Tanker hatte die in Hamburg ansässige Fluvia Tankrode im Dezember 2018 erteilt. Die »Westerode« mit 85 x 9,50m in den Abmessungen und einem Ladevolumen von 1.885m³ respektive 1.512t an Gewicht hat fünf mit Zink beschichtete Tanks. Der Zweischrauben-Antrieb verfügt über zwei Volvo DH13 mit je 500 PS.

Nur wenige Wochen später folgte der Typ-C-Tanker »Westerhuesen«. Identisch in den Maßen und auch in der Ausstattung: Volvo DH 13 mit 500 PS als Hauptmaschinen, zwei Promarin-Schrauben, zwei Reintjes-Wendegetriebe, die Elektrik und Elektronik von Kadlec & Brödlin. Die Einrichtung der Wohnung, des Steuerhauses und die Lieferung weiteren Mobiliars kommt von der Tischlerei & Alubau Wessels aus Haren.

Inzwischen haben die beiden Neubauten neue Eigner gefunden: Mit der Übernahme der Fluvia Tankrode durch die Harener Reederei Deymann wurde die »Westerode« in die Deymann-Flotte aufgenommen. Die »Westerhuesen« wird künftig als eigenständiges Partikulierschiff unterwegs sein.


Hermann Garrelmann