Karlsruhe sieht Krise auch als Chance

Print Friendly, PDF & Email

»Jammern gilt nicht«, lautet das Motto im Hafen Karlsruhe in der Coronakrise. Vielmehr geht der Blick der ansässigen Unternehmen nach vorne, denn sie verstehen die gegenwärtige Situation auch als Möglichkeit, bestehende Strukturen zu verändern

Für die Unternehmen im Karlsruher Rheinhafen ist – wie für viele Firmen im Umfeld anderer Hafenstandorte – ein funktionierender Güterverkehr unverzichtbar. Gänzlich reibungslos funktionieren die Lieferketten in diesen Zeiten jedoch nicht immer, hinzu kommt eine gesunkene Auftragslage, von der manch ein Logistikunternehmen, Zulieferer oder das produzierende Gewerbe betroffen sind. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) haben sämtliche Sparten beträchtliche Umsatzrückgänge erlitten.

Auch im Rheinhafengebiet berichten die Unternehmen teils von erheblichen Einschränkungen und zurückgehenden Umsätzen auf bis zu 30 % des Vorjahresumsatzes im Vergleichszeitraum.

»Dadurch, dass ein Teil der Automobilproduktion mit ihren komplexen Wertschöpfungsketten zurückgefahren wurde, gibt es auch Auswirkungen im Bereich der Stahl- und Chemieindustrie«, sagt Patricia Erb-Korn, Geschäftsführerin der Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen GmbH (KVVH) – Geschäftsbereich Rheinhäfen. Es sei eine rückläufige Mengenentwicklung bei Kohle, Erz und chemischen Grundstoffen zu erkennen, die sowohl die Tank- als auch die Trockenschifffahrt betreffe.

Doch nicht alle Unternehmen im Hafen haben mit einer sinkenden Nachfrage zu kämpfen. Während der Automotive- und Stahlsektor Umschlagrückgänge verzeichne, seien andere Branchen wie die Bauwirtschaft bisher nahezu von der Krise verschont geblieben, berichtet Mineralix, das Recycling- und Entsorgungszentrum, das 2010 im Karlsruher Rheinhafen eröffet wurde. Auch bei der mineralischen Rohstoffversorgung für die Betonindustrie oder für den Straßenbau könne man auf eine stabile Lage blicken. Die Recyclingbranche arbeite in eingeschränktem Umfang weiter, bestätigt die Eisenlegierungen Handelsgesellschaft.

Es sei in der jetzigen Situation schwierig, Prognosen über die nächsten Monate abzugeben, so Rhenus Port Logistics Rhein Neckar. Das Unternehmen betont, wie wichtig ein enger Austausch mit Auftraggebern sei, um Dienstleistungen jederzeit an die jeweilige Situation und ein Wiederhochfahren der Aktivitäten anpassen zu können.

Die Krise verändere nicht nur die Auftragslage, sondern Partnerschaften und Beziehungen zu Kunden. Deshalb seien adäquate Maßnahmen gefordert, betonen die Badener. Einige davon beträfen natürlich alle Hafenunternehmen, etwa strengere Sicherheits- und Hygienemaßnahmen. Flexiblere Arbeitszeiten für Eltern seien auch möglich. Zusätzlich würden die Unternehmen ihre Tätigkeiten verstärkt im Home-Office ausführen, sofern das möglich sei. Für viele Firmen habe der Erhalt von Arbeitsplätzen oberste Priorität.

Zuversicht gepaart mit Skepsis

Beim Blick in die Zukunft betont der Geschäftsführer von Salzgitter Mannesmann Stahlservice, Michael van der Vlist, dass Flexibilität in diesen Zeiten angesagt und wie wichtig eine gute IT-Infrastruktur für moderne Unternehmen sei. Man könne es daher kaum erwarten, dass das angekündigte Glasfaser-Netz nun auch bald im Rheinhafen zur Verfügung stehen werde.

Bei allen Aktivitäten schwingt neben verhaltenem Optimismus eine gewisse Unsicherheit mit. Man könne nicht beurteilen, wie stark die Pandemie das Rheinhafengebiet wirtschaftlich beeinträchtigen werde, man sehe aber auch Chancen in der Krise. Die Logistikwelt benötige zurzeit außergewöhnliche Lösungen, die auch in Zukunft eine Rolle spielen könnten.

Mehr einheimische Zulieferer?

»Die derzeitige Krise führt uns die Anfälligkeit unserer globalisierten, arbeitsteiligen Wirtschaft vor Augen. Das wird zur Folge haben, dass manche Industriezweige künftig mehr auf einheimische Zulieferer setzen und ihre Lagerkapazitäten vor Ort erhöhen. Davon können wiederum die Binnenhäfen profitieren«, meint Erb-Korn.

Die Hoffnung, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, sei deutlich zu spüren. Bei vielen Unternehmen sei der Wunsch nach einer Rückkehr zur Normalität bemerkbar. Oder wie Andreas Baumeister, Geschäftsführer von Baumeister Schweisstechnik, betont: »Die ersten Lichter am Ende des Tunnels sind erkennbar.«

Schlechte Nachrichten gibt es hingegen für Freunde des HafenKulturFestes. Die für Juni geplante Veranstaltung werde es erst 2021 wieder geben, so die Badener. Das Fahrgastschiff »Karlsruhe« ist derweil seit dem 17. Juni mit einem eingeschränkten Fahrplan wieder unterwegs.