Editorial 02 / 2021
Während die Flüsse im Süden und Westen des Landes über die Ufer treten und die Schifffahrt zeitweise gestoppt wird, beschäftigen sich Ingenieure, Reeder und Verlader mit der Lösung des gegenteiligen Problems – dem Niedrigwasser. Glaubt man den Experten, werden sich Wetterextreme häufen, vor allem jene, die für zu wenig statt für zu viel Wasser unter dem Kiel sorgen.
Die Ereignisse von 2018, als es teilweise nicht einmal ausreichend Benzin an den Tankstellen gab, hat vielen die Augen geöffnet, wie schnell und wie lange die Schiffbarkeit der wichtigsten Flüsse und damit die Versorgung von Industrie und Bevölkerung gefährdet sein können. Wer auch immer die Binnenschifffahrt bislang als betulich und wenig innovationsfreudig angesehen hat, darf sich nun erstaunt die Augen reiben.
Erst waren es BP und Shell, jetzt folgen BASF, die HGK oder auch die niederländische NPRC. Sie alle haben Entwürfe und konkrete Bauprojekte für neue, flachgehende und modern motorisierte Schiffe vorgelegt. Das ist vielleicht nicht gleich eine Revolution, aber doch ein Innovationsschub, wie es ihn lange nicht mehr gegeben hat.
Noch sind es Pilotprojekte, hinsichtlich des Entwicklungsaufwandes und der Baukosten teure Einzelstücke. Das soll ihren Wert nicht schmälern, denn sie zeigen auf, was technisch möglich ist und wie sich die Binnenschifffahrt insgesamt in den nächsten Jahren modernisieren könnte.
Der Investitionsbedarf aber ist immens. Nicht von ungefähr stehen hinter den jüngsten Vorhaben potente Industriepartner. Selbst diese Konzernkunden werden nicht eine ganze Flotte auf den vielfach beschworenen »grünen« Weg bringen. Das wäre Sache der Schiffseigner in diesem noch immer kleinteiligen und mittelständisch geprägten Gewerbe. Gerade sie bräuchten neben politischen Willenserklärungen, ganz praktisch, erhebliche finanzielle Hilfen.
Die gute Absicht war durchaus vorhanden. Nur leider ist gerade das viel gelobte, technologieoffene und großzügig gedachte Motoren-Förderprogramm des Bundesverkehrsministeriums bei den Wettbewerbshütern in Brüssel glatt durchgefallen. Über die Gründe zu diskutieren, ist müßig. So berechtigt der deutsche Entwurf auch ist, hat er den komplizierten rechtlichen Anforderungen der EU eben nicht entsprochen. Da hat ganz offensichtlich jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht … Denn zeitgleich ist es im Nachbarland Niederlande gelungen, ein Förderprogramm zu starten, das nicht nur 40% der Investitionskosten ausgleicht, sondern sogar deutschen Schiffseignern offen steht, sofern sie sich 60 Tage im Jahr auf der anderen Seite der Grenze aufhalten.
Mit den von CSU-Minister Andreas Scheuer bei der Vorstellung des Masterplans Binnenschifffahrt vollmundig angekündigten Bundeszuschüssen von bis zu 80% der Investitionskosten für Neubauten oder bei umweltfreundlichen Nachrüstungen wird’s also vorerst nichts. Dabei stehen dafür doch im Bundeshaushalt mühsam ertrotzte 30 Mio. € bereit, die jetzt gar nicht abgerufen werden (können).
Es soll schnellstmöglich nachgebessert werden, heißt es jetzt in Berlin, um dann einen zweiten Vorstoß in Brüssel zu wagen. Vorerst gilt die unzureichende und mit eher bescheidenen 6 Mio. € dotierte alte Förderrichtlinie weiter. Man kann, auch ohne hellseherische Fähigkeiten, getrost darauf wetten, dass sie ins Leere läuft – weil sie weder dem Umweltgedanken noch den Partikulieren wirklich hilft.
Viel Spaß beim Lesen wünscht