58 Jahre hat das Taucherglockenschiff »Carl Straat« Dienst getan. Bevor es in den Ruhestand gehen konnte, wurde jetzt der Nachfolger in Dienst gestellt. In Duisburg wurde der Neubau »Archimedes« getauft. Von Hermann Garrelmann
Mit ihren knapp 70 m Länge füllt die »Archimedes« den kleinen Hafen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Rhein in Duisburg zu großen Teilen aus. Hierhin war es zur Taufzeremonie verholt worden, bei der sich eine stattliche Festgemeinde eingefunden hatte. Mit dabei waren viele, die das komplexe und technisch aufwendige neue Taucherglockenschiff mitentwickelt oder im Bau begleitet hatten.
Birgitta Beul, die Leiterin des WSA Rhein, zeigte sich sehr zufrieden mit der neuen Anschaffung. Es sei, auch aufgrund des Alters des Vorgängers, an der Zeit gewesen, dieses neue moderne Schiff zu bauen. Es eröffne dabei auch neue Einsatzmöglichkeiten: »Die einzigartige Technik des ›Archimedes‹ ermöglicht sowohl Einsätze bei Havarien als auch spezielle wissenschaftliche Untersuchungen der Gewässersohle und die Beseitigung von Hindernissen.« Tonnenverankerungen in felsiger Sohle könnten eben nur mit diesem Schiff durchgeführt werden.
Eingesetzt wird dieses dieselelektrisch angetriebene Spezialschiff auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen. Dort kann es in bis zu 10 m Wassertiefe Hindernisse, beispielsweise Schiffsschrauben oder verlorene Anker, von der Gewässersohle bergen. Darüber hinaus wird das Taucherglockenschiff für Inspektionen an Schleusen und Wehren, für die Entnahme von Sedimentproben, für faunistische Untersuchungen sowie für die Kontrolle von Verankerungen an Fahrwassertonnen eingesetzt.
Hans-Heinrich Witte, Chef der GDWS, sprach von einem besonderen Tag für die Sicherheit auf dem Rhein und angrenzender Flüsse und Kanäle. »Das neue Taucherglockenschiff ist ein technisch überaus komplexes Schiff, das in der WSV-Flotte eine Sonderstellung einnimmt und darüber hinaus umweltfreundlich ist«, so Witte. Das Schiff zu planen und zu bauen sei eine herausfordernde Arbeit gewesen, in vielen Bereichen habe man Neuland betreten.
Das bestätigte auch Rainer Strenge, Leiter der Fachstelle der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung für Verkehrstechniken der GDWS. Gemäß der Vorgabe eines maximalen Tiefgangs von 1,70 m habe man noch ein wenig nachjustieren müssen, die »Archimedes« verfüge dazu über ein spezifisches Ballastwassersystem. Erstmals sei auch ein Positionsanzeigesystem an Bord installiert worden. Der redundante Antrieb und der Pumpjet im Vorschiff sicherten bestmögliche Manövrierbarkeit.
Die Unterkünfte sowie die Mannschaftsräume entsprächen in Art und Ausstattung den heutigen Anforderungen. Die Besatzung der »Archimedes« unter Schiffsführer Thomas Bach wurde in die Entwicklung und die Bauphase einbezogen , um den Bezug zur Praxis zu optimieren.
Während der Taucheinsätze gehören künftig ein Einsatzleiter, der Schiffsführer, ein Maschinist, zwei Matrosen, ein Matrose/Schleusenanwärter sowie ein Matrose/Motorenwart zur Crew. Thomas Bach war schon auf der »Carl Straat« eingesetzt. »Die ›Archimedes‹ hat ein ganz anderes Leistungspotenzial.«
Unter den Augen der Besatzung und der weiteren Gäste erhielt der von der Damen Werft gelieferte Neubau von Pfarrer Frank Wessel und Pastor Christian Becker den kirchlichen Segen, der mit drei Glasen von der Schiffsglocke bestätigt wurde. Für Patin Vera Bach, die Ehefrau des Schiffsführers, war die traditionelle Taufe kein Problem: Gleich mit dem ersten Anwurf zerschellte die Sektflasche an der Bordwand des Schiffes.
Die »Archimedes« verfügt über einen leistungsstarken, dieselelektrischen Antrieb mit umfangreicher Abgasreinigung. Drei Caterpillar C18 mit je 412 kW Leistung, zwei Caterpillar-Generatoren (C4.4 mit 99 kW) und Schottel-Ruderpropellern SRP 150 sowie ein um 360° schwenkbares Bugstrahlruder SPJ 82 bilden den Antrieb. Das reicht für eine Freifahrtgeschwindigkeit von 17,4 km/h im Mittel für das 11,76 m breite Schiff.
Mit dem Einbau von Partikelfiltern und Abgasreinigungsanlagen erfüllt das Schiff die Vorgaben der modernsten ZKR-Stufe V. Dank der optimierten Schiffsbreite sind alle fraglichen Schleusen passierbar. Wegen der geringen Höhe des Schiffes und des vollautomatischen Ballastsystems kann es auch auf Mosel, Saar, Main und Neckar eingesetzt werden. Zur weiteren Ausrüstung an Bord gehören zwei Ladekräne, zwei Ankerstelzen, vier Ankerwinden sowie zwei Koppelwinden.
Namensgebendes Teil des Schiffes ist die Taucherglocke am Heck. Die 4 x 6 m große Glocke hat mit 3 m ausreichend Stehhöhe. Zudem birgt sie einen Hebekran mit 2 t Hubleistung. Die Glocke kann auf bis zu 10 m Tiefe in ein Gewässer eintauchen. Wie ein umgestülptes Glas eintauchend entsteht in der Glocke ein Überdruck, so dass kein Wasser einströmen kann. So kann die Wartungscrew trockenen Fußes auf der Sohle arbeiten. In die Glocke kommt die Besatzung durch eine Druckluftschleuse und ein Schachtrohr, das bis zu einer Länge von 15 m ausgefahren werden kann. Für höchste Sicherheit ist gesorgt: Der Innenraum wird mit Videokameras überwacht, außerdem besteht ständiger Kontakt zum Steuerhaus.
Gebaut wurde das Spezialschiff bei Damen Shipyards in Gorinchem in den Niederlanden. Remko Bouma, Sales Manager der Werft, zeigt einen gewissen Stolz auf dieses Schiff: »Wir freuen uns sehr, dass wir den Bau dieses besonderen Schiffes planmäßig und zur Zufriedenheit des Kunden abgeschlossen haben.« Es habe eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der FMSW Koblenz gegeben. Die Baukosten für diesen europaweit einzigartigen Neubau belaufen sich auf 24,57 Mio. €.