Einstimmung auf die Neue Seidenstraße

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Der diesjährige Verladertag in Dresden befasste sich mit der Rolle der Logistik für die internationalen Verkehre. Eine funktionierende Infrastruktur und verlässliche Konzepte sind dafür entscheidende Faktoren. Es gilt, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen

Eingeladen hatten wie bisher Hafen Hamburg Marketing (HHM) und die IHK Dresden. Stefan Kunze als Repräsentant für Deutschland Ost von HHM und Vorsitzender des Elbe-Allianz-Vereins, ein Zusammenschluss aller an der Elbe mit der Binnenschifffahrt partizipierenden Vereine, beleuchtete eingangs das vergangene Jahr. Aufgrund des fast siebenmonatigen Niedrigwassers auf der Elbe sei es kein gutes gewesen, führte Kunze vor den rund 100 Teilnehmern aus verladender Wirtschaft, Reedereien und Logistikunternehmen aus. Mit dem Gesamtkonzept Elbe (GKE), dessen Realisierung in diesem Jahr beginne, sollen Weichen gestellt werden, die Schifffahrtsbedingungen auf der Elbe künftig schrittweise zu verbessern.

Motto der Veranstalter war, dass die Logistikwirtschaft sich ständig auf sich verändernde Märkte und Rahmenbedingungen einstellen müsse, damit Produzenten und Händler im internationalen Warengeschäft konkurrenzfähig blieben. Eine hoch ausgelastete Infrastruktur, die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, aber auch Veränderungen, wie zum Beispiel der bevorstehende BREXIT Großbritanniens, zwängen die Branche zu innovativen Lösungen.

Neue Seidenstraße verändert Lage

Charlotte Hein für Landverkehre und Martin Lüdecke für maritime Verkehre, Marketing und Verkaufsmanager der Container Reederei COSCO Shipping Lines (Germany), gaben einen Ausblick, welche Veränderungen der internationalen Verkehrsströme die Neue Seidenstraße in den kommenden Jahrzehnten mit sich bringen würde.

China strebe danach, die USA als erste Wirtschaftsmacht unseres Planeten abzulösen, stellte Lüdecke fest. Das habe bedeutende Auswirkungen auf die internationalen Verkehre zu Wasser und auf dem Land. Die derzeitige Politik des »America First« der USA spalte die demokratische Welt in ein System von Teilung und Herrschaft, aus dem China als Sieger hervorgehen werde. Die COSCO-Reederei richte sich darauf ein, die internationalen Containerverkehre von Asien über Indien und Indonesien sowie Ostafrika, Kleinasien und das Mittelmeer nach Süd- und Westeuropa als maritime Südstrecke führend in die Hand zu nehmen, ohne andere Reedereien verdrängen zu wollen.

Alle Länder, deren Häfen durch den maritimen Zweig der Neuen Seidenstraße angelaufen werden sollen, würden als Partner betrachtet werden. Einwicklungsländern wolle man bei der Schaffung der dafür notwendigen Infrastruktur helfen. Die Neue Seidenstraße sei ein Jahrhundertprojekt, das China am 1. Oktober 2049, dem 100. Jahrestag der Volksrepublik, fertiggestellt haben wolle.

Die Gesamtkosten bis dahin würden auf 1.900Mrd. € geschätzt und betreffen 4,4Mrd. Menschen auf dem Eurasischen Kontinent und Afrika in insgesamt 60 Ländern.

China benötige die Welt als Absatzmarkt seiner Produkte. Sein Bruttoinlandsprodukt jährlich betrage 12 Bio. €. Seit 1530 treibe China zu Land und zu Wasser Handel mit Europa und es betrachte Europa auch heute weiterhin als Haupthandelspartner in der Welt.

Hein, die für den Berliner Standort von COSCO und die Landstrecke zuständig ist, erläuterte, dass es eine nördliche und eine südliche Strecke gebe, die bereits heute aber noch nach altem Standard in Betrieb sei. Die nördliche führe von Peking über Ulan Bator und Moskau durch Weißrussland nach Europa und ende in Duisburg. Sie sei 13.000km lang. Die südliche Route führe von Schanghai über Urumqui und Kasachstan ebenfalls nach Moskau und von dort durch Weißrussland und Polen nach Duisburg und sei 10.000km lang. An den Grenzen zu Kasachstan und Polen zu Russland werde jeweils auf russische oder europäische Spurweite, je nach Richtung, umgespurt. Die heutigen Reisezeiten betragen zwischen 17 und 20 Tagen. Nach Fertigstellung der Trassen sollen die Züge etwa zehn Tage von Anfangs- bzw. Abgangsstationen benötigen. Alle Züge sind mit 41 TEU und etwa 1.600t Ladungsgewicht durchgeplant.

Hamburg hat wichtige Stellung

HHM-Vorstand Ingo Egloff zog eine Bilanz darüber, welche Rolle der Hamburg als Hafen in Europa spiele. Nach Rotterdam sei er zweitgrößter Hafen in Europa. Der Hafen sei Zentrum einer Metropolregion, die Schleswig-Holstein und das nördliche Niedersachsen mit einschließe. Im vergangenen Jahr seien 135,1Mio.t Güter umgeschlagen worden, etwas weniger als 2017.

In den Containerverkehren sind die Umschläge mit 8,8Mio.t gegenüber 2017 etwa gleichgeblieben. Auffällig sei, dass die nach Großbritannien exportierten beladenen Container überwiegend leer zurückkehrten, was darauf schließen lasse, dass sich die Wirtschaft im Vereinigten Königreich bereits jetzt auf den BREXIT einstelle, ihre Exportgüter bis dahin also etwas zurückhalte und ihre Wirtschaft rückläufig sei. Die Flüssiggutumschläge seien gleichgeblieben, der Stückguthandel habe hingegen zugenommen. Dies ein Fingerzeig darauf sei, dass die Wirtschaft im deutschen Maschinen- und Anlagenbau auf hohem Niveau arbeite. Im Unterschied dazu seien der Getreideumschlag wegen zweier aufeinanderfolgender schlechten Ernten rückläufig.

Hamburg stelle sich darauf ein, dass mit der Vertiefung der Außen- und Unterelbe um 1m Containerschiffe von 400m Länge und 60m Breite und 22.000TEU zum Teil im Einrichtungsverkehr in den Hafen einlaufen werden, womit Hamburg mit anderen Häfen weiter mithalten könne. Voll beladen könnten die Frachter den Hafen aber auch nach der Fahrrinnenanpassung nicht erreichen.

Der Seehafenhinterlandverkehr werde mit rund 60% durch den Bahnverkehr abgewickelt, wobei Trassen neben Deutschland nach Polen, Tschechien, Österreich und Italien befahren würden. Österreich fahre 90% seiner Container per Bahn.

Auch die Containerverkehre im Hamburger Hafen werden zu mehr als 50% per Bahn abgewickelt. 2.300 Züge verlassen pro Woche den Standort. Der Containertransportanteil, der vor zehn Jahren noch bei 1%t lag, ist Egloff zufolge 2018 auf 2,4% gestiegen, was 211.200TEU entspricht. 100.800 davon seien sogenannte Hafenumfahrten gewesen. 128.500TEU seien über den Elbe-Seitenkanal und die Elbe ins Binnenland gefahren worden. Tendenz steigend.

Maßnahmen an der Elbe

Stefan Kunze, HHM-Repräsentant und Vorsitzender des Elbe-Allianz, die 130 Mitglieder umfasst, darunter alle im Elbeeinzugsgebiet tätigen Verbände und Schiffervereine, gab einen Überblick über den Stand der Realisierung des Gesamtkonzeptes Elbe (siehe dazu auch BS 2-19, Seiten 66-67). Gegenwärtig würden die 34,5 vom BMVI vorgesehenen Planstellen ausgeschrieben bzw. besetzt. Als erste Maßnahme werde die Erosionsstrecke »Klöden« in Angriff genommen, die den Bereich zwischen Elstermündung, Ekm 200 und Mühlberg, Ekm 127, betreffe, um eine stabile Sohle herzustellen. Anschließend werde die Strecke »Coswig/Anhalt« zwischen Kleinwittenberg, Ekm 217, und etwa Aken, Ekm 278, angegangen sowie später die sogenannte »Reststrecke« zwischen Dömitz und Hitzacker hinzukommen.

Mehr Rückhaltebecken vorhalten

Es werde damit gerechnet, dass sich mit diesen regulierenden Maßnahmen die Tauchtiefenverhältnisse um etwa 20cm gegenüber den vorjährigen Tiefen verbessern könnten, so Kunze. Dass durch den Klimawandel seit 1992 angestrebte Ziel, bei der Elbe eine Abladetiefe von 1.40m zu erreichen – was einer Tauchtiefe von 1.60cm entspricht – sei hingenen vermutlich nicht mehr zu erreichen. Mit dem vergangenen Niedrigwasser sei eine neue Qualität der Wasserverfügung entstanden. Der BUND zweifele bereits an seiner Unterschrift unter das GKE.

Die Elbe-Allianz diskutiere bereits, dass es wohl erforderlich sei, neben den Regulierungsmaßnahmen auch über das gegenwärtige Wassermanagement nachzudenken und durch mehr Rückhaltebecken im Oberlauf von Elbe, Saale und Moldau Zuschusswasser bereitzuhalten. Von Staustufen, die bereits unterschwellig in der Diskussion sind, und das Auensterben verhindern könnten, sprach er nicht.


Christian Knoll