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Seit 2018 lag das Gründungsschiff von Hertha BSC, dem Berliner Fußballclub, an der Werft Malz und stand vor einer ungewissen Zukunft. Nun ist eine Entscheidung gefallen, denn es wird von dem Schiffbaubetrieb umfangreich instandgesetzt

Berlins ältestes Fahrgastschiff, die nunmehr 134-jährige »Hertha«, auf der 1892 der Berliner Fußballclub Hertha gegründet wurde, wird auf der Werft Malz von Grund auf saniert. Am 21. Oktober wurde die »Alte Dame«, wie auch der Verein sich gerne nennen lässt, ins Dock verbracht und durch die computergesteuerte Aushub- und Verfahranlage auf Land gesetzt.

»Wir sind sehr stolz darauf, dass wir den Auftrag bekommen haben. Allerdings haben wir auch daraufhin gearbeitet, weil wir mit Rekonstruktionen sehr gute Erfahrungen haben«, so Werftgeschäftsführer Ralf Loerke.

Die »Alte Dame« wird ihr Äußeres behalten, ansonsten aber von Grund auf erneuert und modernisiert. Der Schiffskonstrukteur Ulrich Förster erstellt hierzu ein Projekt. Das alte Schiff werde neu vermessen und das Krängungsverhältnis überprüft. Auf dieser Grundlage wird das Schiff nach den aktuellen Vorschriften innen so ausgebaut, dass es als modernes Repräsentations- und Veranstaltungsschiff dem BSC dienen werde.

Trotz Corona gute Auftragslage

Die Lage der Werft, so Loerke, sei trotz Corona so, »dass wir gut über den Winter kommen werden. Allerdings merken wir, dass uns keine Berliner Fahrgastschiffe anlaufen, da sie das Jahr über fast gar nicht eingesetzt werden konnten, weil Corona das verhinderte und keine Reparaturbedarfe bestanden.« Auch die Fahrgastschifffahrt aus den Nordbrandenburger und mecklenburgischen Gewässern sei lediglich mit der »Europa« von der Müritz und der »Lübz« aus der gleichnamigen Stadt zu Landrevisionen und Reparaturen an der Werft.Auuch das Berliner Jugendschiff »ReMiLi« des Bezirksamtes Köpenick sei zur Landrevision und Instandsetzungsarbeiten mit reichlich Schweißarbeiten über den Winter an der Werft.

Das Schubboot »Paul« der Reederei Lindecke erhält eine grundhafte Modernisierung. Die Eisbrecher »Seelöwe« und »Seehund« werden maschinentechnisch auf den umweltfreundlichen GTL-Kraftstoff umgestellt. Ein Wassersschutzpolizeiboot werde in der Schiffbauhalle gerade grundhaft modernisiert. Gleiches treffe auch für das Arbeitsschiff »Nethe« des WSA Minden zu, so Loerke.

Für das WSA Lauenburg werde der Eisbrecher »Elbe« auf den Winter vorbereitet. Die Elbeeisbrecher »Widder« und »Wisent« hätten die Werft gerade einsatzbereit wieder verlassen.

»Wir kommen also sicher über den Winter«, schloss Loerke ab, fügte aber noch hinzu, dass »wir in diesem Jahr noch keine Neumotorisierungen vornehmen konnten, wie wir sie in den vergangenen Jahren jährlich mehrfach ausgeführt haben. Von Volvo Penta hörten wir, dass es im kommenden Jahr wieder Motoren geben werde, die nach den neuen Abgasvorschriften hergestellt würden.«

Deutsche Partikuliere würden mit ihren Schiffen immer weniger an die Werft kommen, weil sie ihre Schiffe verschrotten oder an polnische Partikuliere verkaufen, wenn sie in den Ruhestand gingen. Aber diese ließen nur auf polnischen Werften reparieren, weil sie deutsche Werftpreise nicht bezahlen könnten.

Der ehemalige Schleppdampfer »Seima« ist nun auch in einem guten Zustand an einen privaten Eigner, der nicht genannt werden möchte, verkauft worden und wird in Kürze seine letzte Fahrt für die Werft absolvieren, aber dem Schiffbaubetrieb für Instandsetzungen treubleiben.

Die Werft Malz war Ende der 1980er-Jahre mit einer PC-gesteuerten Aushub- und Verfahranlage für Schub- und Fahrgastschiffe ausgestattet worden, die auch heute noch einwandfrei funktioniert und eine technologische Einmaligkeit darstellt. Die Verfahranlage verfügt über 16 Stellplätze für Schubschiffe und/oder Arbeitsschiffe. Auch die 1960 errichtete Slipanlage versieht heute noch zuverlässig ihren Dienst.

Die Werft verfügt über einen qualifizierten Motoren- und Maschinenbau und eine Tischlerei, die alle Innenausbauten von Schiffen leisten kann. Der eigene Nachwuchs wird auf der Werft selbst ausgebildet.

Lediglich für Elektrik und Elektronik nutzt die Werft die Dienstleister Mohrs & Hoppe und Engel & Meier sowie für alle Anstricharbeiten an rekonstruierten Schiffen die Malerfirma von Hilmar Bergmann.

Zum Fahrgastschiff »Hertha«

Das Fahrgastschiff »Hertha« hat eine illustre Vergangenheit. Es wurde 1886 für die Stralauer Dampfschiffahrts-Gesellschaft Manthey, Wolff und Zwerner als Dampfschiff mit Doppelschraubenantrieb in der Werft von Aaron & Gollnow, Stettin, gebaut. Es absolvierte am 17. April 1886 seine Probefahrt, bei der es die für die damalige Zeit enorme Geschwindigkeit von 18 km/h erreichte. Anschließend war der Dampfer im Raum Berlin auf den Flüssen Spree und Havel im Einsatz. Es handelte sich um das zweite von drei baugleichen Schiffen, die kurz nacheinander auf derselben Werft für denselben Auftraggeber gebaut worden sind.

Im Jahr 1889 übernahm die Spree-Havel-Dampfschiffahrts-Gesellschaft »Stern« das Schiff. Die Fahrgasteinsätze auf den bisherigen Routen wurden fortgeführt. Das Schiff trug seit dem Bau den Namen der Tochter eines der Gesellschafter. Als sich am 25. Juli1892 der Verein Hertha BSC auf dem Schiff gründete, übernahm er den Namen auch als Vereinsnamen.

In den Wirren am Ende des Zweiten Weltkrieges verblieb das Schiff in der sowjetischen Besatzungszone von Berlin. Die russische Militäradministration zog alle in ihrem Sektor verbliebenen Fahrgastschiffe zusammen. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft von enteigneten privaten Reedereien ging auf Befehl der neuen Machthaber 1949 der Staatsbetrieb DSU, die Deutsche Schiffahrts- und Umschlagszentrale, als Vorgänger des VEB Weisse Flotte hervor. 1949 wurde das Fahrgastschiff in »Seid Bereit«, den Gruß der Jungen Pioniere der DDR, umbenannt und kam bei der Weißen Flotte wieder in Fahrt, wobei der originale Name des Dampfers in Vergessenheit geriet. Im Jahr 1964 wurde das Schiff außer Dienst gestellt und lag etwa fünf Jahre ungenutzt am Abwrack-Kai in Berlin-Stralau auf dem Rummelsburger See. Die Verschrottung war vorgesehen.

1969 fanden der private Reeder Walter Dentler und sein Sohn Peter aus Wusterhausen/Dosse das heruntergekommene Schiff und kauften es im desolaten Zustand. Sie betrieben es auf der Kyritzer Seenkette, die 24 km Länge aufweist, und tauften es auf den Namen »Seebär«.

Der Berliner Schifffahrtshistoriker Kurt Groggert fand aber 1976 heraus, dass es sich bei dem Schiff um die 1886 gebaute »Hertha« handelte.

Im Mai 2017 kauften zwei Präsidiumsmitglieder des Berliner Fußballbundesligisten Hertha BSC das Schiff, das dann seinen alten Namen zurückerhielt und holten es in die Hauptstadt zurück. Von Kyritz bis zum Havelport Wustermark wurde das Schiff auf einem Tieflader gefahren und dort ins Wasser gesetzt, um aus eigener Kraft nach Berlin zu fahren. Anschließend kam es nach Malz an die Werft, wo die Vorbereitungen zur grundlegenden Sanierung begannen.


Christian Knoll