Um bei reduziertem Tiefgang noch eine wirtschaftlich vertretbare Zuladung zu erreichen, kommt schnell Leichtbau ins Spiel. Doch längst nicht alle Materialien eignen sich, nötig sind zusätzlich konstruktive Lösungen und eine neue Klassifizierung der Wasserstraßen
Wenn es darum geht, Gütertransporte vom zunehmend überlasteten Straßenverkehr auf das Wasser zu verlagern und Schifffahrt auch auf Flüssen mit niedrigen, unregelmäßigen Wasserständen zu reaktivieren, so scheint »Flachgängigkeit« das Gebot der Stunde. Es geht darum, bei begrenzten, nicht notwendigerweise maximalen Tiefgängen noch wirtschaftlich vertretbare Zuladungen zu erreichen. Das wird oft mit Leichtbau gleichgesetzt. Dies trifft jedoch so nicht zu, denn die Effekte an Tiefgangsverminderung bzw. Zuladungsgewinn sind begrenzt. Wie kann demnach Flachgängigkeit erreicht werden?
Es liegt nahe, sich auf spezifisch leichte, raumintensive, typischerweise höherwertige Güter zu konzentrieren, mit denen höhere Frachtratenniveaus erzielbar sind. Herausragendes, verkehrswirtschaftlich hoch aktuelles Beispiel sind Güter in Containern im Vor- und Nachlauf zu Überseeverkehren. Durch Beschränkung der vertikalen Beladungshöhe (nicht mehr als zwei Lagen) könnten begrenzte, nicht-maximale Teil-Tiefgänge erreicht werden. Eine Verringerung des Tiefgangs bzw. eine Steigerung der Zuladung kann darüber hinaus durch Senkung des Leergewichts mit »Leichtbau« erreicht werden.
Diese Maßnahmen im Planungs- und Entwurfsbereich sind zu ergänzen: Flachgängigkeit kann auch durch eine »flache« Ladungsverteilung durch tendenziell große Längen und Breiten, in Verbindung mit kleinen Tiefgängen, erreicht werden. Daher zunächst ein Blick auf verfügbare Konzepte:
- Holz ist ein klassischer Bootsbau- und Schiffbau-Werkstoff. Andererseits ist von höheren Anforderungen an Nutzungseigenschaften auszugehen (z.B. inhomogene Ladungsverteilungen während des Umschlags, Punktlasten von Containern, robuste Kopplungstechnik bei Schubleichtern). Insgesamt gesehen, könnte es interessant sein, z.B. einen 53 m-Container-Schubleichter aus Holz zu entwerfen, um Gewichtseinsparungen zuverlässig beurteilen zu können und einen Prototypen zu bauen und zu erproben.
- Seewasserbeständiges Aluminium ist der älteste Leichtbau-Werkstoff im Boots- und Schiffbau. Für kleinere Fahrzeuge könnte Aluminium in Frage kommen, für größere Einheiten erscheint dies weniger plausibel, unter anderem wegen des hohen Materialpreises.
- Als Alternative zu Holz und Aluminium haben für kleinere Fahrzeuge Kunststoffe, z.B. glasfaserverstärktes Polyester (GVP), im Boots- und Yachtbau eine große Bedeutung erlangt. Eine Ausweitung auf größere, gütertransportierende Fahrzeuge dürfte jedoch auszuschließen sein.
- Seit neuestem ist High-Density Polyethylene (HDPE) in der Diskussion und auch bereits für ein Hafen-Dienstfahrzeug eingesetzt worden. Einer Ausweitung auf größere Fahrzeuge steht eine Zugfestigkeit von nur 10 % und eine 10x höhere elastische Verformung im Vergleich zu Stahl entgegen.
- Ein weiterer Leichtbau-Werkstoff ist Aluminium-Schaum, in Form von Sandwich-Plattenmaterialien für flächenhafte Bauelemente, wie sie im Schiffbau in großem Umfang vorkommen. Vorschläge für einen kleineren Schubleichter sind gemacht worden. Begonnene Versuchsbauten kamen aber nicht zur Fertigstellung. Nach heutigem Kenntnisstand ist das Potenzial im Schiffbau eher kritisch zu bewerten.
Als vorläufiges Fazit ist zu konstatieren, dass allenfalls dem Werkstoff Holz reale Chancen für moderne Leichtbau-Konstruktionen bei Gütermotorschiffen zuzubilligen sind, vielleicht ergänzt um hochfesten Stahl. Im Falle von Güterschiffen ist generell davon auszugehen, dass ein Anteil am Gesamtgewicht von etwa 80 % und mehr von der Ladung eingenommen wird und nur etwa 20 % oder weniger auf das Leergewicht entfallen. Voll abgeladen sind es demnach nur etwa 20 %, bei 50 % Abladung etwa 40 %.
Daraus folgt, dass die Zielsetzung »flachgehend« nicht allein durch Leichtbau, sondern auch durch den Schiffsentwurf selbst erreicht werden muss. Das kann, wie eingangs angesprochen, auf niedrige Beladungshöhen und begrenzte Maximal-Tiefgänge bei großen Breiten und (Verbands-) Längen hinauslaufen. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Einsatz solcher universellen Fahrzeuge auf großen Wasserstraßen mit tieferen Abladungsmöglichkeiten eingeschränkt wird. So scheiterte auch der Versuch, ein flachgehendes Motorgüterschiff für die Elbe zu konstruieren.
Außerdem werden bis heute der Schubverbandstechnik die größeren Chancen eingeräumt. Die Abmessungen wären wie folgt: 110 m x 11,45 m x 2,00 m mit 112 TEU in zwei Lagen oder 168 TEU in drei Lagen. Für die Oder sind drei Leichter-Typen mit 53 m–78 m Länge konzipiert worden. Wenn man diese mit den existierenden Rhein-Leichtern von 76,5 m bzw. 65 m vergleicht, zeigt sich, dass die Leergewichte um etwa 20 % bzw. 25 % niedriger liegen. Bei einem Minimal-Tiefgang von 1,00 m würden sie also noch über sinnvoll nutzbare Tragfähigkeiten verfügen, während dies bei den Rhein-Leichtern eindeutig nicht mehr der Fall ist.
Neue Klassifizierung nötig
Anzumerken ist, dass die Konzipierung flachgehender Fahrzeuge ein Umdenken in der Handhabung des europäischen Wasserstraßen-Klassifizierungssystems erfordert. Es muss sichergestellt bleiben, dass eine bestimmte Wasserstraßenklasse primär nach Länge und Breite eingesetzter Fahrzeuge definiert ist und der hier genannte Tiefgang, insbesondere bei Flüssen, den Charakter eines Richtwertes hat, nicht aber für die Festlegung einer Klasse mitbestimmend ist.
Die Ergebnisse der hier angestellten Überlegungen legen die Schlussfolgerung nahe, dass das gesetzte Entwicklungsziel »flachgehende Binnenschiffe« nicht mit einer einzelnen Maßnahme – Leichtbau – erreichbar ist, sondern dass eine Reihe von Entwicklungsschritten nötig ist, die im Bereich von Planung, Entwurf und Konstruktion angesiedelt sind. Dabei spielt Leichtbau keine herausragende, sondern nur eine anteilige Rolle. Die zum Teil neu vorgeschlagenen Werkstoffe, wie der Kunststoff HDPE, dürften für größere Fahrzeuge kaum oder gar nicht geeignet sein – im Falle von Holz wäre eine nähere Überprüfung jedoch zu empfehlen. Zentral wäre es, »flache« Hauptabmessungsen zu wählen, dass heißt, begrenzte Tiefgänge und Beladungshöhen durch große Breiten und Längen zu kompensieren – und dabei die Manövrierfähigkeit auf beengen Fahrwässern durch automatisierte Assistenzsysteme zu unterstützen. Dann sollte die Binnenschifffahrt auf Flüssen mit schwierigen Fahrwasserverhältnissen auch in Zukunft in ökonomisch und ökologisch vertretbarer Weise möglich sein.
Autor: Prof. em. Dipl. Ing. Horst Linde
1974–2005 Fachgebiet Seeverkehr,
Institut für Land- und Seeverkehr, TU Berlin