Markus Bangen (© duisport)
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Markus Bangen, seit August 2021 Vorstandschef bei duisport, hat einen Kulturwandel im Unternehmen eingeleitet. Er will stärker auf die Kunden, auch in der Binnenschifffahrt, zugehen, formuliert aber klare Erwartungen. Kooperationen steht er positiv gegenüber.

Normalerweise würde ich einen neuen CEO fragen, wie die ersten 100 Tage waren. Aber Sie sind ja nicht neu, sondern – Stand heute – seit 22 Jahren bei duisport. Wie war das erste halbe Jahr?
Markus Bangen: Es ist schön, dass einige Ideen, die ich eingebracht habe, auf so große Resonanz stoßen. Ich bin, was einige Themen angeht, offenbar offene Tore eingerannt. Es war aber auch ein bisschen überraschend, dass es nach so vielen Jahren im Unternehmen immer noch viele Dinge gibt, die ich nicht im Detail kannte und das nicht alles so ist, wie ich mir das vorgestellt habe.

Was genau hat Sie am meisten überrascht?
Bangen: Es war tatsächlich überraschend festzustellen, wie sehr wir uns in den vergangenen Jahren von unseren Kunden abgekoppelt haben. Oder positiv ausgedrückt: Wie groß die Begierde war, in duisport wieder einen Gesprächspartner vorzufinden.

Der Chefposten wurde intern nachbesetzt, nicht durch einen externen Manager – war der Stallgeruch ausschlaggebend?
Bangen: Ich bin zwölf Monate lang das gesamte Auswahlverfahren als einer der möglichen Kandidaten mit durchge­laufen. Und dann sage ich mal ein bisschen unbescheiden: Am Ende hat sich wohl der beste Bewerber durchgesetzt …

enerPort II und DGT

Auf dem Gelände der ehemaligen Kohleninsel in Duisburg errichtet duisport bis Mitte 2023 gemeinsam mit den internationalen Partnern Cosco Shipping Logistics, Hupac und der HTS Group für rund 100 Mio. € das trimodale und klimaneutral geplante DGT. Es wird mit einer Fläche von 235.000 m² das größte Containerterminal im europäischen Hinterland sein. Rolls-Royce liefert dafür die neueste mtu-Wasserstofftechnologie, um das Terminal nachhaltig mit elektrischer Energie und Wärme zu versorgen. Dabei handelt es sich um Brennstoffzellen-Lösungen für die Spitzenlastabdeckung sowie Wasserstoff-Blockheizkraftwerke. Auf dem DGT soll nach Fertigstellung ein »revolutionärer« Modal Split mit einem Anteil von jeweils 40 % für Bahn und Binnenschiff und lediglich 20 % für den Lkw-Verkehr gelten.

Sie haben den Staffelstab dann früher als vorgesehen, im August statt im November, übernommen. War das in Ihrem Sinne?
Bangen: Um nach den Chaos-Monaten Ruhe ins Unternehmen zu bekommen, war es sicher das Beste, was passieren konnte. Und auch nach außen war es wichtig, dieses Signal zu senden.

Ihr Vorgänger Erich Staake hat sicherlich große Verdienste, war zuletzt aber auch nicht unumstritten, als Person und als Stratege … Wie definieren Sie Ihre Position, was wollen Sie anders machen?
Bangen: Hier wurde immer mit einem großen Team gearbeitet, aber das wurde nach außen nicht so kommuniziert. Klar, es gibt immer den Kapitän. Aber das ist hier keine One-Man-Show, sondern es arbeitet immer das gesamte Team. Diese Haltung teilt auch mein neuer Vorstandskollege Dr. Carsten Hinne. Es ist ein Glück, dass unsere Vorstellungen über den Führungsphilosophie und auch die Chemie so gut passen, obwohl wir uns ja nicht wechselseitig ausgesucht haben.
Zweiter Unterschied: Wir orientieren uns stur an harten Fakten. Ich bin im Vergleich zu meinem Vorgänger ganz sicher sehr viel näher dran am operativen Geschäft, weiß, was unsere Kunden umtreibt und höre gern auch mal im Detail zu.
Und drittens: Wir wollen uns ganz klar wieder auf unser Kerngeschäft fokussieren. Damit meine ich nicht nur den Standort Duisburg, unsere anderen Aktivitäten in Deutschland und im Ausland gehören schon mit dazu. Aber wir werden nicht mehr so tun, als ob das Wohl und Wehe von duisport ganz allein an der Neuen Seidenstraße hängt. Auch das hat zu der Entfremdung beigetragen. Mitarbeiter nennen das mangelnde Wertschätzung, Kunden und Stakeholder nennen das Abgehobenheit. Jetzt kostet es uns einige Mühe, diese Wahrnehmung zu korrigieren.

Heißt das, dass Sie strategisch das Auslandsgeschäft ein Stück weit zurückstellen und sich wieder mehr auf das reine Hafengeschäft vor Ort konzentrieren wollen?
Bangen: Wir werden das eine tun ohne das andere zu lassen. Der Aufsichtsrat hat ganz bewusst meinen Kollegen Dr. Hinne in den Vorstand berufen, der zuvor das China-Geschäft der DB Cargo geleitet hat und dessen Zuständigkeit bei uns der Ausbau des internationalen Netzwerkes ist. Wir ziehen uns aus Belarus zurück, auch aus Projekten in Rumänien, aber wir sind noch in Istanbul, in Triest und in Chongqing sowie in anderen Standorten in China sowie über eine Tochtergesellschaft in Indien. Aber das darf weder zu Lasten der eigenen Organisation noch zu Lasten der anderen Bereiche gehen.
Die fehlende Nähe zwischen dem Duisburger Hafen und der Binnenschifffahrt war selten so groß wie noch Ende vergangenen Jahres. Das darf künftig nicht mehr sein.

Visualisierung des geplanten Duisburg Gateway Terminals (© duisport)

Nun haben Sie haben gleich zu Beginn den Einzelgesellschaften und deren Geschäftsführern mehr operative Verantwortung übertragen. Was versprechen Sie sich davon?
Bangen: Die operative Leitung lag immer schon bei den Leuten vor Ort. Aber wenn ein Vorstand als Geschäftsführer mit am Tisch sitzt, wird gegen dessen Willen selten etwas geschehen. Für gute Leute bedeutet das blockierte Karrieremöglichkeiten und Frust, und für weniger gute bietet es ein Alibi, warum sie nie etwas entscheiden müssen. Übergreifende Zusammenarbeit und Teambildung in einem Unternehmen fängt beim Vorstand an, also müssen wir auch ein Stück weit loslassen und dürfen uns nicht mehr in alles einmischen.

Aber in letzter Konsequenz haben dann doch der Vorstand oder Sie als CEO das letzte Wort?
Bangen: Das letzte Wort liegt natürlich immer beim Vorstand, aber es geht uns schon darum, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass irgendeine Entscheidung überstimmt werden muss.

Also alles in allem ein Kulturwandel?
Bangen: Das war die erklärte Absicht. Wir ändern das System von Grund auf, auch wenn es jetzt ruckelt, sich alle daran gewöhnen müssen und alles seine Zeit braucht. Wir wollen offen denken und offen kommunizieren. Das Spielfeld ist jetzt bei uns sehr groß, aber es gibt Spielfeld-Begrenzungen. Das zu steuern, ist die Aufgabe des Vorstands.

Wer an den Duisburger Hafen denkt, denkt oft noch an die Montanindustrie. Es stehen auch Ihnen große Veränderungen ins Haus, allein durch die Energiewende samt Kohleausstieg. Wie kann sich der Hafen darauf einstellen?
Bangen: Ein Stück weit haben wir damit ja schon vor Jahren angefangen. Die Kohle ist bei uns schon etwas länger weg, wir haben ja die Kohleninsel vor zwei Jahren stillgelegt. Wir schlagen auch keine 2 Mio. t mehr um, daran haben wir uns gewöhnt. Diese Verluste haben wir von der Tonnage her kompensieren können. Aber ich bin kein Freund der Abrechnung nach Tonnage, für mich zählt die Wertschöpfung.
Den Strukturwandel haben wir also längst eingeleitet. Der Hafen Duisburg war immer eine Energie-Drehscheibe und wird es auch bleiben. Wir haben als Standort die Pole Position, wenn es um Wasserstoff geht. Wir haben zwei große Kunden, die den Bedarf treiben werden. Wir holen aber auch neue Unternehmen wie Plug Power her, die schon Wasserstoff herstellen und für ihre Brennstoffzellen nutzen. Amazon wird umstellen, das Daimler-Werk in Düsseldorf auch.
Die Logistik ist der Treiber, wir im Hafen müssen dafür die Infrastruktur bereitstellen und haben bereits Flächen definiert, die für Produktionsanlagen genutzt werden können. Und wir werden selbst Bedarf haben. Allein das zukünftige Duisburg Gateway Terminal auf der Kohleninsel, das wir im Rahmen des Projekts »enerPort II« klimaneutral errichten, wird einen Elektrolyseur mit 10 MW vollständig auslasten können. Wir sind auch intensiv mit den Seehäfen im Gespräch und nutzen dabei die alten Partnerschaften. Durch den Ukraine-Krieg ist der Druck sicherlich nicht kleiner geworden.

Keimzelle aller Geschäfte ist der Duisburger Hafen. Die duisport-Gruppe macht einen Umsatz von knapp 300 Mio. € und knapp 60 Mio. t an Umschlag (© duisport)

Ist die Entwicklung eines Wasserstoff-Hubs auch eine Chance für die Binnenschifffahrt?
Bangen: In der reinen Form sicher nicht. Das geht nur per Pipeline. Aber es gibt ja verschiedene Transportalternativen wie Ammoniak oder LOHC, und es wird am Ende genug für alle abfallen, auch für die Binnenschifffahrt – wenn sie sich intelligent aufstellt und den Wandel mitmacht.

Die Binnenschifffahrt kämpft um Anteile am Model Split und um Anerkennung, erschwert durch die absehbaren Verluste bei Massengütern. Welche Bedeutung hat dieser Verkehrsträger künftig für den Hafen?
Bangen: Der Stellenwert ist deutlich höher, als es die Binnenschifffahrt selbst wahrnimmt. Es liegt an uns, dies auch wieder klar zu machen. In den vergangenen Jahren lag der Fokus vielleicht zu sehr auf der Bahn. Wir müssen allerdings alle zusammen tradiertes Denken über Bord werfen und mehr in logistischen Systemen und Ketten denken.
Die alten Zeiten, in denen große Mengen für wenige große Auftraggeber transportiert wurden, sind unwiderruflich vorbei. Die Binnenschifffahrt muss sich am Ende in neuen, anderen Märkten im Wettbewerb behaupten, auch preislich. In den großen Ausschreibungen vieler Verlader gibt es zum Beispiel keine Spalte für Kleinwasserzuschläge. Es braucht also mehr Flexibilität in der Wahl des Transportmittels. Bei den großen Reedereien ist das sicherlich schon angekommen, aber es gib insgesamt noch viel Luft nach oben.

Wenn Sie auf die Binnenschifffahrt setzen oder zählen, können Sie denn Unterstützung gewähren und sei es über das politische Gewicht als Europas größter Binnenhafen?
Bangen: Wir sind Mitglied des VDV und des BDB und gerade wieder in das SPC eingetreten. Als duisport muss man zukünftig wieder die Bereitschaft entwickeln, sich einzubringen und Themen zu bewegen. Wir werden dann aber auch mit unangenehmen Diskussionen zur Struktur der Branche aufwarten, wenn wir uns stärker engagieren. Wenn der größte Player der Binnenhäfen nicht Mitglied im BÖB ist und die größte Reederei nicht Mitglied im BDB, trägt das sicher nicht dazu bei, die Akzeptanz des Gesamtsystems in Berlin oder Brüssel zu verbessern.
Ich sehe es kritisch, wenn sich der kleinste Teil in der deutschen Logistik mit Abstand die meisten Verbände leistet. Dem »bösen« Kunden, von dem wir alle was wollen, sind interne Organisationsprobleme oder Eitelkeiten völlig egal, der fragt schlicht: Könnt ihr das zusammen oder nicht? Dass die Bahn da schon weiter ist als wir im »nassen« System, ist ein Alarmzeichen, denn die sind in der Regel auch nicht besonders schnell unterwegs …

Sie haben vor Ort aber auch eigene Baustellen. Müssen Sie, neben all den Investitionen in Logistikflächen, sich nicht auch auf die neuen Umschlaggeschäfte einstellen, also künftig verstärkt wieder in Kaianlagen, Tankkapazitäten und Steiger investieren?
Bangen: Wir haben generell einiges zu tun. Der Nachholbedarf ist gewaltig, auch wenn wir wie kein zweiter Hafen bereits viel in die Infrastruktur investiert haben. Aber ich bin da gar nicht so pessimistisch – einen Steiger zu bauen ist sehr viel einfacher als eine Krananlage. Und es entstehen dadurch auch neue Möglichkeiten, wenn man zum Beispiel an den Export von verflüssigtem CO? denkt.

In der Vergangenheit wurde duisport in der Region oft als »dominant« empfunden. Sind Sie auch bereit, in der Region und mit Wettbewerbern zu kooperieren?
Bangen: Persönlich habe ich mich immer dafür eingesetzt. Klar, wir könnten sagen: Wir sind die Nr. 1 und bekommen daher immer Zugang, wenn wir das wollen. Aber es kommen Herausforderungen auf uns zu, die wir nicht allein schultern können. Wenn wir als duisport keine Flächen haben, heißt das ja nicht, dass kein anderer sie hat. Ja, wir müssen auch nach außen besser kommunizieren und tun das auch, zum Beispiel mit Krefeld, der HGK oder mit DeltaPort. Das klappt nicht bei jedem Gespräch, auch nicht bei jedem zweiten, aber vielleicht wirkt es in der Zukunft.
Ich schaue voller Neid auf Venlo, nur 39 km über die A 40 von uns entfernt. Im Verkehrsbereich arbeiten wir sehr eng zusammen. Im Bereich der Ansiedlungspolitik aber ist das Verhältnis mit ›knallhartem Wettbewerb‹ noch freundlich umschrieben. Die Niederländer haben staatliche Strategien, die auch finanziell wesentlich unterstützt werden.
Da kann ich mich als duisport allein in den Kampf stürzen. Oder ich kann mich, mit dem Land NRW als Gesellschafter im Rücken, darum bemühen, mich als Region im Wettbewerb der Standorte zu behaupten, um Arbeitsplatze und Wertschöpfung im Land zu halten oder hierher zu holen. Das gilt künftig ganz sicher auch für den Bereich der Erneuerbaren Energien.

Alle diese Aufgaben und eine bessere Vernetzung in der Logistik erfordern moderne Unternehmensstrukturen bis hin zur IT. Damit sind wir bei der Digitalisierung. Bei allen bisherigen Errungenschaften und der Förderung von Start-ups – wie weit sind Sie damit?
Bangen: Das ist eine der größten Baustellen überhaupt. Wenn wir mit unserer internen Digitalisierung schon so weit wären wie bei der Einbindung und Förderung von Start-ups, wären wir schon einen Schritt weiter. Sind wir aber nicht.
Auch das war eine bewusste Veränderung im Sommer: Wir lassen auch unseren IT-Bereich selbstständiger agieren, die Kollegen dürfen »rennen« und dabei auch Fehler machen. Deshalb haben wir das Digital-Budget zusätzlich zu den bereits budgetierten und geplanten Innovations- und Digitalisierungsprojekten zunächst bis 2024 um 5 Mio. € pro Jahr erhöht. Das zeigt, wie wichtig uns dieses Thema ist. Gerade in diesem Bereich kann man nicht nur Projekte anstoßen und Geld investieren, wenn man schon zu Beginn weiß, dass sie erfolgreich sein werden. Man kann sich aber auch Partner suchen – deshalb haben wir uns mit RheinPorts verbündet, die einfach schneller waren. Denn wir brauchen keine Einzel-, sondern möglichst standardisierte Systeme für die Branche. Wenn es nach mir geht, machen wir das aber nicht mit den Seehäfen zusammen – denen wollen und müssen wir auf Augenhöhe begegnen. Ganz nebenbei machen uns diese Themen auch attraktiver für den Nachwuchs.

Was würden Sie bis zum Jahresende gern erreichen?
Bangen: Dass duisport wieder als Partner wahrgenommen wird und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie die Kunden sagen: Es ist noch nicht alles perfekt, aber auf dem richtigen Weg. Die Infrastruktur-Erneuerung und die Restrukturierung der Flächen brauchen zwar einige Jahre länger, sollten aber nach Plan vorangekommen sein.

Dann sind Sie persönlich zufrieden?
Bangen: Damit könnte ich schon mal leben …

Interview: Krischan Förster