Mit der Taufe der »Synthese 18« stellt die HGK Shipping einen weiteren modernen Tanker in Dienst. Der Ausbau der Flotte soll auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. CEO Steffen Bauer setzt auf moderne Schiffs- und Logistikkonzepte. Von Krischan Förster
Trotz der spürbaren Folgen der Corona-Pandemie war 2021 für die HGK Shipping ein sehr erfolgreiches Jahr. Die schmerzhaften Volumenrückgange aus dem Jahr zuvor konnten wettgemacht werden, berichtet CEO Steffen Bauer. Dazu habe auch die Trockenschifffahrt beigetragen, weil der Bedarf an Kohle deutlich höher als erwartet ausfiel.
Der Trend habe sich in den ersten Monaten des laufenden Geschäftsjahres fortgesetzt. »Aber das bleibt dennoch eine Momentaufnahme«, sagt Bauer. Der Abschied von der Kohle verzögere sich, aber er sei ja nicht vom Tisch. »Wir müssen uns daher rechtzeitig zukunftsfähig aufstellen.«
Fast genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass die Häfen und Güterverkehr Kön AG (HGK) die Binnenschiffsaktivitäten der Imperial Logistics International übernahm und damit zu Europas größter Reederei mit rund 400 Schiffen aufstieg. Es galt zunächst, sich unter dem Dach des neuen Mutterkonzerns zu finden und neu aufzustellen. So wurden zuletzt auch die Binnenschifffahrtsaktivitäten der bis dahin selbstständigen HTAG in die Shipping-Sparte der HGK integriert, die Umschlag- und Logistik-Aktivitäten kamen zur Unternehmensschwester Neska. »Die Neuordnung hat eine Zeit lang gedauert und auch interne Ressourcen in Anspruch genommen. Aber jetzt ist sie weitestgehend und erfolgreich abgeschlossen«, sagt Bauer.
Der Blick richtet sich nach vorn. Die ausgerufene Energiewende mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und später auch Gas wird die Märkte verändern. Das Volumen der traditionell transportierten Massengüter wird schrumpfen und die Trockenschifffahrt der HGK Shipping, das mit Abstand größte Segment innerhalb der Flotte, unausweichlich treffen.
Dazu kommt der Modernisierungsbedarf auf den Schiffen selbst, ausgelöst durch verschärfte Emissionsgrenzwerte und Klimaschutzvorgaben auf europäischer wie nationaler Ebene. Außerdem fordern auch die Kunden neue, bessere Logistikkonzepte, in der Regel im Verbund mehrerer Verkehrsträger. Ebenso relevant werden die spezifischen Herausforderungen in der Binnenschifffahrt, vornehmlich durch wechselnde Wasserstände. Das lang anhaltende Niedrigwasser von 2018 mit den temporären Lieferengpässen für wichtige Industriebereiche hat sich bei allen Akteuren tief ins Gedächtnis gebrannt. »Wir müssen also neue Lösungen entwickeln und auch gezielt investieren«, sagt Bauer.
Die Modernisierung der Flotte ist eingeleitet. Die in Hamburg beheimatete Gastankerflotte hat mit der »Gas 94« bereits einen modernen Neubau erhalten, die »Gas 95« ist in Bau und weitere Neubauten bis zur Flotten-Nr. 100 sind in Planung. Für den Transport flüssiger Chemikalien wird jetzt die »Synthese 18« frisch von der Werft in Dienst gestellt. Zwei weitere Typ-C-Tanker sind in Auftrag gegeben und sind sogar »H2 ready«, können also künftig mit Wasserstoff im Tank betrieben werden.
Technisch setzen alle diese HGK-Schiffe neue Maßstäbe – sie sind nicht nur mit modernen Antriebsanlagen ausgerüstet, sondern durch das Schiffsdesign und konstruktive Veränderungen Tiefgang-optimiert. Somit können sie selbst in extremen Niedrigwasserphasen noch die von den Industriekunden dringend benötigte Ladung transportieren. Auch in der Trockenschifffahrt sind innovative Schiffskonzepte geplant und sollen gemeinsam mit Kunden umgesetzt werden.
Ein willkommenes Erbe aus der Imperial-Zeit ist das hauseigene Shipping Design Center, das diese Neubauten entwickelt und sich intensiv mit Zukunftsthemen beschäftigt. Das betrifft nicht nur den Antrieb, als diesel-elektrische Ausführung installiert und zu einem späteren Zeitpunkt auf alternative Energiequellen wie eine Brennstoffzelle und neue Kraftstoffe wie Wasserstoff umrüstbar, sondern auch Fragen des (teil-)autonomen Fahrens. So engagiert sich die HGK in mehreren Forschungsprojekten und Kooperationen, um die Grenzen des Machbaren und wirtschaftlich Sinnvollen rechtzeitig auszuloten. »Wir sind immer gern dabei, neue Möglichkeiten auszuloten, schon im eigenen Interesse.«
Für das weltweit erste Schubschiff mit Brennstoffzelle und Batterien, die erst jüngst in Berlin getaufte »Elektra«, stellt die Kölner Reederei die Besatzung (siehe gesonderten Bericht auf S. 22). Auf dem Trockengüterschiff »Niedersachsen 22« der Reederei-Tochter NVG wird im Testbetrieb das teil-autonome Fahren im westdeutschen Kanalgebiet erprobt. Für ein ähnliches Projekt des belgischen Unternehmens Seafar hat die HGK ebenfalls ein Schiff für Tests auf dem Albert-Kanal bei Antwerpen abgestellt erste Erfahrungen und wird diese Technologie auf den Chemie-Bereich der HGK Shipping ausweiten. »Wir schauen uns viele Ideen an, die uns voranbringen können«, sagt Bauer.
Für den Reedereichef ist das nicht nur eine Frage des technisch-wirtschaftlichen Fortschritts, sondern auch eine Notwendigkeit, um sich für einen drohenden Personalmangel an Bord aufgrund der demografischen Entwicklung zu wappnen. Denn viele Partikuliere gehen ohne Nachfolger in Rente, wodurch absehbar Schiffsführer fehlen. »Wir müssen daher als Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen attraktiv bleiben«, so Bauer.
Hinter all diesen Vorhaben stehen auch erhebliche Investitionen, die die HGK Shipping bislang aus eigener Kraft stemmt. Anträge zur Förderprogrammen des Bundes dauerten in der Regel zu lange und decken den Bedarf oft nicht ab, so Bauer. »Deshalb machen wir das vorerst selbst.«
Nicht zuletzt der Ukraine-Krieg und die dadurch beschleunigte Neuordnung der Energieversorgung in Deutschland zwingt zum Handeln, sagt Bauer. »Es werden sich ganze Logistikketten von den Importhäfen bis ins Hinterland ändern«, sagt er.
Als Beispiel nennt er die rasant schnellen Beschlüsse und Genehmigungen für die geplanten LNG-Terminals an der Küste. Hinzu kommt: Das über Jahre geltende Prinzip in der Logistik, alles »just in time« zu liefern und kaum mehr Lagerhaltung zu betreiben, steht überall auf dem Prüfstand. Drohenden Engpässen – sei es durch Niedrigwasser oder geopolitische Krisen – müsse besser vorgebeugt werden.
Schließlich wird es darum gehen, nicht-fossile Kraftstoffe zu entwickeln und einzusetzen, von synthetischem Diesel über Wasserstoff bis hin zu Ammoniak. »Diese Entwicklung führt dazu, dass wir viele Dinge neu denken müssen. Aber das bringt auch Chancen.«
Bauer sieht für die Binnenschifffahrt generell einen hohen Innovations- und Investitionsdruck. »Wir müssen uns als Verkehrsträger ein Stück weit neu erfinden, um am Markt und im Wettbewerb mit Bahn und Lkw künftig bestehen zu können.« Natürlich müssten aber auch durch die Politik die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, von der Infrastruktur bis hin zu einer zielgerichteten Förderung, um auch im System Wasserstraße die regulativen Voraussetzungen zu schaffen, um den Weg zu einer Klimaneutralität zu schaffen. Andere Länder seien da schon wesentlich weiter.
Er vermisse bei den politisch Handelnden noch ein klares Konzept, wie Energie- und Verkehrswende mit dem immensen Investitionsbedarf für Infrastruktur und Flottenmodernisierung in Einklang gebracht werden soll. »Wir wollen nicht alles bezahlt bekommen, aber wir brauchen mehr Unterstützung für die Binnenschifffahrt«, sagt Bauer.
Im neuen Kölner Verbund seien die besten Voraussetzungen gegeben, um sich wettbewerbsfähig aufzustellen. Mit dem dem HGK-Geschäftsbereich Logistics and Intermodal oder dem Hafen- und Bahnlogistikanbieter RheinCargo soll die Zusammenarbeit ausgebaut und verfeinert werden. »Wir haben schließlich unter einem Dach alles, was der Kunden braucht – die Häfen, die Schiffe, die Bahn, den Umschlag, Warehousing und die Logistik-Dienstleistungen. »Unser Fokus liegt gerade auch darauf, dies für die Kunden passend zusammenstellen und gemeinsam anzubieten.« Andernfalls werde man Ladung an die Wettbewerber Bahn und Lkw und den Anschluss an die technische Entwicklung verlieren.
Klar sei aber auch, dass selbst eine so große Einheit wie die HGK Shipping die europäische Binnenschifffahrtsflotte nicht allein modernisieren kann. »Aber wir können Pilotprojekte initiieren und dabei helfen, neue Marktstandards entwickeln. Am Ende aber muss sich die ganze Branche in der Struktur und im Denken ändern, um Innovationen weiter vorantreiben«, sagt Bauer.