Deutschlands größter Seehafen Hamburg hat im ersten Halbjahr Ladung verloren, auch im Hinterlandverkehr. Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard sieht mit Blick auf die Binnenschifffahrt und die Wasserwege große Versäumnisse in der deutschen Verkehrspolitik.
Hamburg verzeichnete für das erste Halbjahr 2023 beim Massengutumschlag mit 19,0 Mio. t ein Plus von 7,7 %. Der Umschlag von Stückgut liegt im ersten Halbjahr mit einem Minus von 11,1 % bei 39,2 Mio. t. Insgesamt schlugen die Terminalbetreiber im Hamburger Hafen seeseitig 58,2 Mio. t an Seegütern um. Das sind 5,8 % weniger im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Bahnumschlag meldet der Hafen ein Minus von 2,1 % und eine Tonnage von 23,1 Mio. t. Für den Containertransport im Segment »Hinterland« wurde zudem ein leichtes Minus von 2,7 Mio. TEU auf 2,6 Mio. TEU verzeichnet.
Im gesamten Containerumschlag gingen im ersten Halbjahr 3,8 Mio. TEU über die Kaikanten (-11,7 %). Bei der Betrachtung des Containerumschlags auf Tonnenbasis waren es im gleichen Zeitraum 38,7 Mio. t (-10,8 %). Der Containerumschlag hat sich aber nach Angaben von Hamburg Hafen Marketing (HHM) im Lauf des ersten Halbjahres monatlich verbessert. Er lag im Juni um 10,2 % höher als noch im Januar. Bei einem Vergleich der ersten beiden Quartale zeigt sich eine Steigerung des Containerumschlags um 4,6 %.
»Es ist nicht hinnehmbar, was da seit Jahren passiert«
Melanie Leonhard, Wirtschaftssenatorin der Elbmetropole, zeigte sich zwar prinzipiell nicht unzufrieden mit der Entwicklung. Ein Dorn im Auge ist ihr aber unter anderem die Bundespolitik für die Binnenschifffahrt. Zuständig für die Verkehrspolitik ist bekanntlich Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP.
Immer wieder kommt es zu Schwierigkeiten im Hinterlandverkehr auf der Wasserstraße, zuletzt etwa durch einen Defekt am Schiffshebewerk Scharnebeck. Die Landes-SPD-Chefin fordert ein deutlich größeres Engagement aus Berlin.
Hamburg würde das seit langem fordern. »Wir sind uns da auch einig mit unseren Nachbarbundesländern. Der Zustand der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Deutschland ist – vornehm gesprochen – ausbaufähig.« Die Dauer und die Vorläufe, die strombauliche Maßnahmen in Deutschland haben, seien »nicht gut«. Die personelle Besetzung sei »nicht gut«. Und die Wasserwege stünden »nicht im Fokus der deutschen Verkehrspolitik. Das ist schlecht«, so Leonhard weiter.
Wenn man im Kampf gegen den Klimawandel etwas erreichen will, dann sei es bedeutsam, dass man mehr Ladung von der Straße aufs Wasser und auf die Schiene holt, meint die Hamburger Senatorin. »Da muss man investieren, das ist meine Forderung. Dazu habe ich mich mit den Nachbarländern abgestimmt, es ist nicht meine exklusive Meinung.« Die Politikerin nannte es »nicht hinnehmbar, was da seit Jahren passiert.«
Was man nicht brauche, ist eine weitere Strukturreform. »Es ist ok, dass viele Ämter nicht im Norden sitzen. Aber wichtig wäre, dass die Wasser- und Schifffahrtswege sowie Anlagen wie das Schiffshebewerk oder auch die Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal in Ordnung gehalten werden.«
Hamburger Hafen sieht positive Entwicklung im Massengutsegment
Die positive Entwicklung im Massengut geht auf alle Teilbereiche zurück. Agribulk konnte in den ersten sechs Monaten ein Plus von 18,6 %erzielen und liegt bei 3,5 Mio. t. Auch der Umschlag mit Flüssiggut entwickelte sich ähnlich gut mit plus 18,1 % und 5,3 Mio. t, während das Greifergut auf einem nahezu gleichen Niveau bei 10,2 Mio. t liegt.
China bleibt mit 1,1 Mio. TEU auch im ersten Halbjahr 2023 wichtigster Handelspartner für den Hamburger Hafen. Positive Entwicklungen zeigten sich im Handel mit weiteren Märkten, so zum Beispiel Amerika. Die USA liegen weiterhin auf dem zweiten Platz und können die Position mit einem Plus von 7,4 % und 313.000 TEU weiter festigen. Kanada wächst um 6,7 % auf 95.000 TEU. Aber auch Mittelamerika kann mit 108.000 TEU ein Plus von 6,3 % erzielen. In den kommenden Jahren sei besonders auf diesen Relationen mit einem weiteren Wachstum im Zuge des Ausbaus des Hamburger Hafens zum Energie-Hub zu rechnen, heißt es. »Gerade vor dem Hintergrund steigender Unsicherheit und globaler Verwerfungen ist es unser Ziel, enge Handelsbeziehungen zu einem breiten Spektrum an Partnerländern zu knüpfen«, sagte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, , die sich generell mehr politische Steuerung für Deutschlands größten Seehafen zurück wünscht.
Keine konkrete Prognose möglich
»Im Vergleich mit den anderen Nordseehäfen der Nordrange zeigt sich deutlich, dass alle Marktteilnehmer den gleichen schwierigen Rahmenbedingungen unterliegen«, betont Axel Mattern, Vorstand Hafen Hamburg Marketing (HHM). Auch die bremischen Häfen haben diese Woche Umschlagzahlen vorgelegt, im Containerumschlag sackte Bremerhaven demnach weiter ab.
Die weiterhin herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen lassen es nach Angaben von HHM nicht zu, konkrete Voraussagen auf die Entwicklung des Umschlags im Hamburger Hafen zu treffen. »Wir gehen davon aus, dass zumindest der leicht positive Trend des zweiten Quartals weiter anhält. Wie sich das Jahr weiter entwickeln wird, hängt direkt mit der konjunkturellen Stimmung in Deutschland und den geopolitischen Entwicklungen zusammen«, sagt Mattern.