Delegationen aus den fünf Ostsee-Anrainerstaaten Deutschland, Schweden, Finnland, Polen und Litauen haben gemeinsam in Berlin beraten, wie die Binnenschifffahrt in den eigenen Ländern und im Ostseeraum verstärkt als Verkehrsträger eingesetzt werden kann
Stefan Breitenbach als leitender Partner des sogenannten EMMA-Projektes, einer gemeinsamen Initiative von HHM (Hafen Hamburg Marketing) und 20 Projektpartnern zur Förderung der Wasserwege im Ostseeraum, machte darauf aufmerksam, dass sich dieser durch wachsende Transportvolumina insbesondere zwischen Ost und West auszeichnet. Die Straßen- und Schieneninfrastruktur benötige aber innovative und pragmatische Lösungen, um den künftigen Anforderungen an Verkehrseinrichtungen gerecht zu werden. Flüsse, Kanäle, Seen und auch die Ostsee würden über große Kapazitätsreserven verfügen, während in einigen Teilen der Ostseeregion die Straßen- und Schieneninfrastruktur bereits überlastet sei, so Breitenbach auf der von der Ostbrandenburgischen IHK und Hafen Hamburg Marketing (HHM) gemeinsam organisierten Veranstaltung in der Schwedischen Botschaft in Berlin.
Binnenschifffahrt und Fluss-See-Schifffahrt spielen jedoch im Verkehrssystem im Vergleich zu ihrem Potenzial noch immer eine eher untergeordnete Rolle. Zu oft werde die Binnenschifffahrt von vielen Spediteuren und Interessengruppen im Verkehrssektor nicht einmal als Transportalternative betrachtet, obwohl sie Vorteile für Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit biete. Der Modalanteil der Binnenschifffahrt in, von und zwischen den Ländern der Baltic-Sea-Region (BSR) müsse daher dringend erhöht werden, wenn die künftigen Anforderungen erfüllt werden sollten, machte Breitenbach deutlich. Deshalb sei die Förderung einer besseren Integration der Binnenschifffahrt in die BSR-Transportketten und die EU-Strategie für die Ostseeraumregion von großer Bedeutung.
Breitenbach sieht die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt, die Stärkung ihrer künftigen Entwicklung, die Identifizierung möglicher neuer Binnenschifffahrtsdienste, eine Sensibilisierung für die Potenziale von internationalen Wassertransporten (IWT) und die Gewährleistung eines höheren Stellenwerts der Binnenschifffahrt in Politik und Gesellschaft als Wesentliche Vorteile des EMMA-Projekts.
Je ein Vertreter der fünf Ostsseeanrainerstaaten erläuterte dann, wie in ihren Ländern Binnenschifffahrt funktioniere und was man tun könne, um ihre jeweilige Leistungsfähigkeit zu verbessern. Das EMMA-Projekt steht für die »Verbesserung der Frachtmobilität und -logistik in der Ostseeregion durch die Stärkung der Binnen- und Fluss-See-Schifffahrt und Förderung neuer internationaler Seeverkehrsleistungen«, waren sich die Experten einig.
Die eigentliche Konferenz befasste sich dann mit den Perspektiven der internationalen Wassertransporte und der Fluss-See-Schifffahrt im Ostseeraum. Kurt Bodewig, ex Verkehrsminister und EU-Koordinator für den Baltic-Adria-Korridor, stellte einleitend fest, dass die Leistungen der deutschen Binnenschifffahrt rückläufig seien, obwohl zwischen Rhein und Donau sowie Rhein und Berlin durchgängig mit dem leistungsfähigen Europaschiff der Wasserstraßenklasse Va gefahren werden könne. Die Binnenschifffahrt habe bei der verladenden Wirtschaft noch nicht den Stellenwert, der ihr als ökologischster und wirtschaftlichster Verkehrsträger eigentlich zukommen müsste. Dabei gebe es ein Güterverkehrsaufkommen, das von den Verkehrsträgern Straße und Schiene nur schwer abgedeckt werden könne, was besonders auf die Seehafen-Hinterlandverkehre zutreffe. Außerdem müssten die Wasserstraßen zwischen Ost- und Westeuropa so ausgebaut werden, dass sie von allen Schiffen der Wassersstraßenklasse Va (110 x 11,40 x 2,80 m) grenzüberschreitend befahren werden könnten, was in Brüssel mit einem Aufwand von 500Mrd. € eingeschätzt werde, so Bodewig.
HHM-Vorstand Ingo Egloff hob hervor, dass die Binnenschifffahrt im Seehafen-Hinterlandverkehr für Hamburg ein unverzichtbarerer Verkehrsträger sei, der es verdient habe, staatlich gefördert zu werden. Das Gesamtkonzept Elbe dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden, damit durchgängig Container- und Schwerlastverkehre über die Stromelbe möglich seien.
Kathrin Schneider, Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Regionale Planung, plädierte dafür, die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße besser miteinander zu vernetzen. Sie betonte, dass ihre Landesregierung der Binnenschifffahrt einen hohen Stellenwert zuschreibe. Allerdings bemängelte sie, dass die Schiffbarkeit der Elbe und der östlich von Berlin liegenden Wasserstraßen nicht mehr ausreiche, leistungsfähige Gütertransporte auf dem Wasserweg zu ermöglichen. Vom Projekt 17 abgesehen, sei in ihrem Bundesland an den Wasserstraßen seit 70 Jahren nichts mehr investiert worden. Aber ohne eine Ertüchtigung der Wasserstraßen südlich und östlich Berlins könne die Binnenschifffahrt die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, machte Schneider deutlich.
Sie mahnte außerdem an, dass sich auch die Binnenschifffahrt und die Wasserstraßenverwaltung damit vertraut machen müssten, dass die Digitalisierung vor dem Verkehrsträger Schiff nicht Halt machen werde und man sich entsprechend darauf vorbereiten müsse.
Der Vertriebsleiter der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe, Frank Thiele, wies am Beispiel seines Unternehmens nach, dass sich Investitionen in die Hafeninfrastruktur lohnen. Alle sechs Häfen an der Elbe seien trimodal angelegt und mit leistungsfähiger Infrastruktur und Umschlagstechnik ausgestattet, sodass alle drei Verkehrsträger miteinander vernetzt seien. Trotz eines halben Jahres Niedrigwasser im Jahr 2017 habe es im Containerverkehr und im Schwergutumschlag Rekordergebnisse gegeben. Bei Containern allerdings mehr per Bahn als per Schiff. Mit Hilfe des vor zwei Jahren in Dresden in Betrieb genommenen neuen Schwerlastkranes habe sich der Umschlag von Schwerlasten auf Schiffe verdoppelt.
Gegenwärtig werden die Häfen Torgau und Roßlau grundlegend modernisiert. Ferner warte man auf den Planfeststellungsbeschluss für ein zweites Containerterminal für den Hafen Riesa.
Auch Thiele mahnte an, das Gesamtkonzept Elbe so schnell als möglich umzusetzen, um mehr Güter mit Binnenschiffen auf der Elbe transportieren zu können.
Polen treibt Ausbau voran
Die Direktorin der Abteilung Binnenschifffahrt im neu geschaffenen Ministerium für Maritime Wirtschaft und Binnenschifffahrt der Republik Polen, Monika Niemiec-Butryn, führte aus, dass es Polen sehr ernst meine, mit der Ertüchtigung seiner Binnenwasserstraßen. Für die Seehafen-Hinterlandtransporte der Häfen Szczecin (Stettin) und Gdansk (Danzig) seien die Verkehrskorridore bei Straße und Schiene an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Alle polnischen Regierungen vor der jetzigen hätten die Binnenschifffahrt so vernachlässigt, dass sie heute nur 0,5% des Landesverkehrsaufkommens leiste. Die Oder (E 40) sowie der Oder-Weichsel-Wasserweg (E 70) und die Weichsel sollen grundlegend ertüchtigt werden.
Für die Oder laufe bereits ein Erkundungsprogramm zur Ermittlung der Gütermengen, die nach der Ertüchtigung dort gefahren werden sollen. Die Oder werde entsprechend der Wasserstraßenklasse IV (85 x 9,50 x 2,50m) ausgebaut.
Im vergangenen Jahr habe das »Jahr der Weichsel« stattgefunden. Neben den touristischen Aktivitäten habe im April bei gutem Wasserstand ein Versuch mit einem Containerschubverband mit 40TEU und einem Schwerlastschiff mit einem Kollo von 400 t erfolgreich stattgefunden, der in neun Tagen von Gdansk nach Warschau gefahren sei, worauf der Ausbau der Weichsel ebenfalls beschlossen wurde.
Nach der Oderkonferenz am 25. November vorigen Jahres (siehe S. 17 in der Dezember-Ausgabe 2017), wurde beschlossen, die Binnenschiffer-Ausbildung in Wroclaw (Breslau) wieder aufzunehmen. Die Schule werde der Technischen Universität Wroclaw angeschlossen. Der Leiter des Wasser- und Schifffahrtamtes Wroclaw, Jan Py , der die Oderkonferenz geleitet hatte, wurde angewiesen, die Leitung einer Arbeitsgruppe zu übernehmen, die gemeinsam mit der tschechischen Seite die Möglichkeiten für einen künftigen Elbe-Oder-Donau-Kanal erkunden solle.
Abschließend forderte Niemiec-Butryn von der EU, an das Projekt E 70 den etwa 100km langen Wasserweg auf der Oder und der Westoder nach Szczecin anzuschließen, um den Seehafen leistungsfähiger mit dem mitteleuropäischen Wasserstraßensystem zu verbinden.
Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel leitete nach der Konferenz zu einem Parlamentarischen Abend über. Er lobte die Vorteile des Projektes 17, das durch die konstante Tiefe von 4 m für den Magdeburger Hafen und die Binnenschifffahrt von großem Vorteil sei. Somit sei der Magdeburger Hafen mit der Elbe und dem Mittellandkanal Sachsen-Anhalts leistungsfähiges Tor zur Welt. Jedoch sei die Elbe kein leistungsfähiger Wasserweg mehr.
»Nicht nur wir benötigen einen wirtschaftlich nutzbaren Wasserweg Elbe. Uns ist auch die Verpflichtung im Versailler Vertrag auferlegt, auch der tschechischen Wirtschaft und Binnenschifffahrt einen effektiv nutzbaren Wasserweg zu garantieren«, machte Webel deutlich.
Deshalb solle die Umsetzung des Gesamtkonzeptes Elbe durch ihre Ertüchtigung für die nächsten 20 bis 30 Jahre weitgehend gesicherte Tauchtiefen von 1,40 m garantieren. Dadurch solle die Binnenschifffahrt auf der Elbe wieder attraktiver werden.
Christian Knoll