Die Corona-Pandemie hat auch die Werften schwer getroffen. Viele Einheiten konnten erst verspätet abgeliefert werden, Neubauaufträge gab es wegen der unsicheren Gesamtsituation kaum. Von Thomas Wägener
Zwei wesentliche Stärken deutscher Werften sind unverändert der Bau von Arbeits- und Fahrgastschiffen. Während bei ersteren der Bedarf auch wegen der anstehenden Außerdienststellung älterer Einheiten verschiedener Behörden weiterhin hoch ist, ist die Bereitschaft, neue Fahrgastschiffe zu bauen, ein wenig zurückgegangen. Ein Grund dafür ist die Corona-Pandemie, die diese Branche besonders hart trifft. Den Akteuren ist gewissermaßen komplett die Geschäftsgrundlage entzogen worden, da Schifffahrten über mehrere Monate untersagt waren.
Abzuwarten bleibt, ob und wann in dieser Branche, die über mehrere Jahre einen Boom erfahren hat, bei den Passagieren das Niveau der Vorjahre wieder erreicht werden kann. Denn selbst wenn Fahrten wieder möglich sind, ist nicht absehbar, wie sich die Kunden verhalten werden. Dass sie in Scharen auf die Schiffe strömen werden, wie vor Corona, ist vermutlich eher weniger zu erwarten.
Entsprechend vorsichtig ist man bei den Anbietern, die im vergangenen Jahr kaum neue Schiffe geordert haben. Zum einen ist der Bedarf, den es in der Vor-Corona-Zeit gab, nicht mehr unmittelbar vorhanden, zum anderen müssen die Akteure ihre Gelder schlicht zusammenhalten und sparen.
Zeitverzug bei Ablieferungen
Weil die verhängten Abstandsregelungen auf den Werften zum Teil nur schwer einzuhalten waren, kam es bei vielen Betrieben zu Verzögerungen bei der Ablieferung. Die Vielzahl der georderten Einheiten konnte erst verspätet dem jeweiligen Auftraggeber ausgehändigt werden. Diesen Effekt verstärkt haben Lieferschwierigkeiten, weil Zulieferern die Komponenten fehlten, was sich auch auf deren Produktion ausgewirkt hat.
Äquivalent zum Vorjahr gab es 2020 zwar eine vergleichbare Zahl an Ablieferungen, aber insgesamt weniger Bestellungen. Dennoch hat so mancher Schiffbaubetrieb Neubauaufträge erhalten, der ein Jahr zuvor noch keinen Neu-Kontrakt vermelden konnte.
Die Kötter-Werft in Haren (Ems) hatte sogar rund 20 Jahre keinen Neubauauftrag mehr an Land gezogen. Im vergangenen Jahr ging dann die Bestellung für den Bau eines neuen Arbeitsschiffes ein.
Elektro auf dem Vormarsch
Auch Ostseestaal verbucht wieder neue Aufträge. Das Unternehmen profitiert von seiner Expertise für die Fertigung von Solarschiffen und von den verschärften Umweltbestimmungen, die in der Branche gelten. Auch deshalb sieht der Schiffbaubetrieb in der beruflichen Binnenschifffahrt großen Bedarf, überalterte Schiffseinheiten durch neue, mit umweltfreundlicher Antriebstechnik ausgerüstete zu ersetzen.
Auf dem nationalen und internationalen Markt geht Ingo Schillinger, verantwortlicher Manager bei Ampereship, einer 100%-igen Tochter von Ostseestaal, davon aus, dass zeitnah weitere Neubauaufträge für Elektro-Solar-Fähren nach Stralsund vergeben werden könnten.
Auch die Kiebitzberg-Werft setzt auf den Bau von mit Sonnenkraft betriebenen Einheiten. Um die Jahreswende 2019/2020 wurde der Solarkatamaran »SunCat 120« abgeliefert, dem im April vergangenen Jahres die Schwester »SunCat 121« folgte. Beide Neubauten kommen in Berlin zum Einsatz.
Nach einem Jahr ohne Neubauauftrag konnte die Hitzler Werft ebenfalls 2020 wieder einen Zugang vermelden. Dort entsteht ein Planierschiff für die Hamburg Port Authority (HPA). Die Tischlerei Wessels leistet dafür den kompletten Innenausbau inklusive der Sanitäranlagen sowie die Isolierung und Klimatisierung. Auch die Schiffswerft Fischer in Könnern ist wieder mit einem Neubau vertreten. Dort entsteht ein Deckprahm für die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung (WSV).
Andere Schiffbaubetriebe können sich zudem auf langjährige Auftraggeber verlassen. So fertigt die Neue Ruhrorter Schiffswerft fünf weitere Schubleichter für den Großkunden thyssenkrupp Veerhaven (siehe Beitrag auf S.28 ff), und auch die zur Werftgruppe Meyer zählende Neptun Werft in Rostock-Warnemünde setzt die Ablieferungen für den langjährigen Klienten Viking River Cruises fort, für den zwei weitere Flusskreuzer der Longship-Serie kurz vor der Übergabe stehen. Anders als die Vorgänger sind sie mit einem hybriden Antriebskonzept mit Batterien ausgestattet.
In Sachen Behördenschiffe darf sich Neckarbootsbau Ebert über den Bau eines Feuerlöschbootes für die Hansestadt Lübeck freuen, zudem sollen in diesem Jahr ein Hilfeleistungslöschboot und zwei Polizeiboote abgeliefert werden. Auch die Schiffswerft Hermann Barthel hat unter anderem drei Polizeiboote im Auftrag.
Tamsen Maritim fertigt neben einem weiteren Rettungsschiff für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), zwei Boote für die Zollbehörde. Unterdessen setzt Siemer Yachtservice Hunte-Ems die Vierer-Serie von Polizeischiffen fort. Die zweite Einheit wurde im vergangenen November in Münster am Dortmund-Ems-Kanal übergeben, in diesem Jahr ist Einheit Nummer drei geplant und voraussichtlich Anfang 2022 wird die Serie mit der Ablieferung des vierten und letzten Schiffes abgeschlossen.
Bei der für den Freizeitschiffbau bekannten Kuhnle Werft entsteht derzeit ein Saunaboot. Derweil hat die Lux-Werft mit der Ablieferung des Medienschiffes »The PioneerOne«, dem ersten dieser Art, für Aufsehen gesorgt. Mit Spannung wird auch erwartet, wie sich das erste rein elektrisch betriebene Fahrgastschiff auf dem Starnberger See schlägt. Der Neubau für die Bayerische Seenschifffahrt hat das Werftgelände in Mondorf bereits verlassen, nun steht der Innenausbau am Einsatzort an (siehe Beitrag auf S.31).
Im vergangenen Jahr wurde zudem bekannt, wie das Areal der ehemaligen Duisburger Triton Werft Jacobs Formstahl genutzt werden soll, die im Jahr 2015 Insolvenz anmelden musste. Der Duisburger Hafenbetreiber duisport plant dort einen Lkw-Parkplatz.
Eine Übersicht der Ablieferungen des vergangenen Jahres sowie ein Blick in das Orderbuch der einzelnen Werften ist den folgenden Seiten zu entnehmen. Die Angaben stammen größtenteils von den Schiffbauunternehmen.