Wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigt werden, spricht man von Multitasking. Das gilt in der Antriebstechnik für Ruderpropeller. Sie leisten Antrieb und Steuerung zeitgleich und effektiv. Von Hermann Garrelmann
Seit den Anfängen der Schifffahrt war klar: Um voranzukommen, ist ein Antrieb nötig. Um den richtigen Kurs zu fahren, braucht es ein Ruder. Im Antriebsbereich hat es eine stetige Entwicklung gegeben, bei den Rudern waren die Innovationssprünge weniger durchschlagend. Eine Ausnahme vielleicht sind die Ruderpropeller. Um 360° drehbar, dient die ausgerichtete Kraft zunächst dem Vortrieb, bestimmt aber zusätzlich auch den Kurs.
Bevor Josef Becker, der Gründer der Schottel-Werft, in den 1950er-Jahren das Patent für einen »steuerbaren Propellerantrieb für Schiffe« 1955 anmeldete und 1958 anerkannt bekam, waren Außenbordmotoren sozusagen Vorläufer der modernen Ruderpropeller. Als Erfinder galt lange Ole Evinrude, der ab 1909 entsprechende Antriebe verkaufte.
Neuere Erkenntnisse zeigen allerdings, dass ein Franzose namens Gustav Trouvé bereits 1880 die Kombination von Ruderblatt, Propeller und Antrieb umsetzte. Der Ruderpropeller ist hingegen Victor Graf von Alten zuzuschreiben. Bereits 1919 wurden ihm die Schutzrechte für einen »in das Steuerruder eingebauten Außenbordantrieb für Schiffe« erteilt.
Inzwischen werden Ruderpropeller für eine Vielzahl von Einsatzzwecken entwickelt. Flachwassertaugliche Antriebe gehören dazu, Schlepper mit hoher Wendefähigkeit, Passagierschiffe in Binnenrevieren sowie Serviceschiffe mit hoher Positionierungsgenauigkeit. An Kreuzfahrtschiffen sind die sogenannten Pod-Antriebe im Prinzip auch Ruderpropeller und heutzutage Standard.
Die in den vergangenen 30 Jahren stetig steigenden Anforderungen an Effektivität, Nachhaltigkeit und Komfort führten zu ständigen Innovationen. Neben Schottel stiegen weitere Unternehmen in die Entwicklung von Ruderpropellern ein. Hydro Armor, Jastram, Veth, ZF-Marine und andere verfügen über eine teils spezialisierte Palette an Produkten, die unterschiedliche Ansprüche erfüllen.
Sonderrolle von Voith
Voith nimmt einen Sonderplatz ein, da hier mit einer gänzlich anders gearteten Technik die Kombination von Steuerung und Antrieb realisiert wird.
Das Alleinstellungsmerkmal bei Hydro Armor ist die ausschließliche Verwendung von Hydraulik als Antriebstechnik. Der französische Anbieter hat dabei kippbare, höhenverstellbare oder fest verbaute Lösungen im Portfolio. Ihre Kraft erhalten die Hydraulikpumpen aus Diesel- oder Gasmotoren, inzwischen auch aus elektrischen Quellen. Vorzugsweise auf dem Achterdeck montiert, geben die eingehausten und schallgedämmten Aggregate ihre Kraft an die im Propellergehäuse untergebrachten Hydraulikgetriebe ab. Neben geringeren Wartungskosten und hoher Effizienz verweist Hydro Armor gern auf die besondere Eignung im Flachwasserbereich.
Kippwirkung vermeidet Schäden
Ähnlich wie bei Außenbordern sind die Propelleraufhängungen mit einem Scherstift gesichert. Dieser ermöglicht bei Kollision oder Bodenberührungen eine Kippwirkung und reduziert Schäden am Antrieb. Zugleich erhöht die Art der Aufhängung die Reparaturfreundlichkeit. Bei Schäden am Propeller wird der Antriebsarm hochgeklappt und die Störung kann beseitigt werden. Das hydraulische Powerpack lässt sich auch für den Antrieb anderer Systeme an Bord wie Krane, Winden oder auch Generatoren verwenden.
Die Hydro-Armor-Ruderpropeller und Bugstrahlanlagen decken ein breites Spektrum an Leistungen ab – von 66 kW bis 480 kW. Neu im Programm ist eine Pod-Version, die unterhalb des Hecks oder des Bodens montiert wird und sich vollständig um 360° drehen lässt.
Vom Bugstrahler bis zum Ruderpropeller reicht die Angebotspalette des Hamburger Unternehmens Jastram. Auf »mehr als 4.500 installierte Jastram-Thruster in nahezu jeder Ecke der Erde« verweist der Hersteller. Mit Leistungen zwischen 130 kW bis 450 kW eignen sich die RP 230 (130–295 kW) und RP 380 (225–450 kW) für eine Vielzahl unterschiedlichster Anwendungen. Zur Verbesserung der Hydrodynamik wurde die Formgebung der Produkte mit Hilfe spezieller EDV optimiert.
Als universell einsetzbare Lösung bietet Jastram das UniProp genannte Komplettpaket für die Auf-Deck-Montage. Dieses System enthält den Angaben zufolge alle nötigen Komponenten für den Antrieb. Dazu gehört ein Jastram-Ruderpropeller, ein Fundament mit hydraulischer Tiefenverstellung und Schwenkfunktion sowie ein Dieselmotor. Die hohe Manövrierfähigkeit wird durch den um 360° drehbaren Ruderpropeller erreicht, der vollen Schub in alle Richtungen liefert. Ein Schwenk um 180° braucht demnach nur 6 s. Im UniProp-Paket werden die Jastram-Ruderpropellertypen RP 230 oder RP 380 verbaut. Die Propellertiefenverstellung und die Schwenkfunktion erfolgt hydraulisch, das macht Wartungs- und Reparaturarbeiten einfacher.
Erst im Oktober 2020 hatten die beiden niederländischen Unternehmen Verhaar und De Waal die Neuentwicklung ihres um 360° drehbaren elektrischen Ruderpropellers »Equadrive« vorgestellt. Nun wurde das erste Schiff damit ausgestattet.
Seit Anfang November fährt der Tanker »Kratos« von Vario Shipping mit dem elektrisch angetriebenen »flüsterleisen« Produkt der beiden Partner. Der Tanker hatte bereits einen doppelten Pod-Antrieb. Innerhalb von zwei Tagen wurde der Backbord-Antrieb ausgetauscht. Neben dem neu gewonnen Platz im Maschinenraum gehe es es vor allem um eine erhöhte Lebensqualität an Bord: »Der Antrieb ist entsetzlich still«, hieß es nach der ersten Probefahrt.
Hinzu kämen die Vorteile der direkten Schubumkehr und der zu erwartende geringere Energieverbrauch durch den Verzicht auf ein Getriebe. Das doppelt gedichtete Gehäuse ist ölgefüllt und auf natürliche Wasserkühlung ausgelegt. Den »Equadrive« gibt es – mit oder ohne Düse – im Leistungsbereich von 250 kW bis maximal 600 kW, der Schraubendurchmesser wird abhängig vom Einsatzzweck festgelegt.
Schottel wird 100 Jahre alt
In diesem Jahr feiert der deutsche Propulsionsexperte Schottel mit Hauptsitz in Spay am Rhein sein 100-jähriges Bestehen. Das 1921 gegründete Unternehmen entwickelt und fertigt seit 70 Jahren rundum steuerbare Antriebs- und Manövriersysteme, komplette Antriebsanlagen bis 30 MW Leistung sowie Steuerungen für Schiffe aller Art und Größe. Rund 100 Vertriebs- und Servicestandorte weltweit sorgen für Kundennähe.
Antriebe für die Binnenschifffahrt sind ein wichtiger Bestandteil des Portfolios von Schottel. Fahrgastschiffe, Flusskreuzfahrtschiffe, Doppelendfähren oder Arbeitsschiffe werden oft mit Produkten von Schottel ausgerüstet. Dabei stehen diverse «Leuchtturmprojekte« in der Referenzliste des Unternehmens: Feuerlöschboote für die HPA in Hamburg oder der Neubau des Kanalschubbootes »Elektra« von der Berliner Behala kommen mit Schottel-Produkten in Fahrt.
Unter dem Begriff Ruderpropeller sind bei Schottel insbesondere die bewährten Baureihen SRP und SRE anzusprechen. Eines der jüngsten Projekte mit dem Einsatz eines SRP ist das Taucherglockenschiff für das WSA in Duisburg, das mit zwei SRP 150 FP mit je 330 kW ausgestattet wird.
Elekro-Power für »EcoPeller«
Mit dem SRE brachte Schottel einen »High Performance-Antrieb« auf den Markt, der auch mit dem Begriff »EcoPeller« bezeichnet wird. Beim SRE sind neueste hydrodynamische Erkenntnisse aus CFD-Simulationen und Modellversuchen eingeflossen. Der »EcoPeller« ist zudem der erste Azimutantrieb, der auf eine elektrische Antriebsquelle setzt. Unter Wegfall des Getriebes erhöhte sich die mechanische Effizienz bei reduziertem Geräuschpegel.
Mit einer breiten Baureihe, die Leistungen zwischen 190 kW und 5300 kW abdeckt, eignet sich der Antrieb auch für Fähren. Dabei können diverse Leistungsquellen und Einbauoptionen berücksichtigt werden, die die Gesamteffizienz eines Schiffs weiter erhöhen.
Veth kooperiert mit Promarin
Aus dem niederländischen Papendrecht beliefert Veth Propulsion die Branche. Eine der jüngsten Entwicklungen ist der integrierte L-Drive. Diese Einheit hat mit dem im Thruster selbst verbauten Elektromotor eine äußerst geringe Aufbauhöhe von nur 41 cm. Der Leistungsbereich liegt zwischen 300 kW und 2.350 kW. Anstelle der bisher verwendeten Asynchron-Motoren haben die Veth-Ingenieure einen Motor mit Permanentmagneten ausgewählt. Die Propeller der neuen Linie stammen vom deutschen Spezialisten Promarin. Eines der jüngsten Projekte von Veth ist die Nordseefähre »Münsterland« der Reederei AG Ems.
Mit einem umfangreichen Programm an schwenkbaren Strahlantrieben bietet auch ZF Marine Antriebslösungen für kommerziell eingesetzte Schiffe, Yachten oder Behördenschiffe. Neben vielen Versionen von Ruderstrahlern stehen Querstrahlantriebe mit Festpropellern und Verstellpropellern und Strahlantriebe für flache Gewässer zur Verfügung.
Mit Diesel- und Elektromotoren als Hauptantrieb wird ein Leistungsbereich von 100 kW bis 2.000 kW abgedeckt. Montiert im Schacht, eingeschweißt im Rumpf oder ausfahrbar sind Strahlantriebe von ZF Marine an verschiedenste Verhältnisse angepasst. Querstrahlantriebe können elastisch gelagert werden, um den Körperschall im Rumpf zu minimieren. Bei jedem Strahlantrieb ist eine Kontrolleinheit für Steuerung und Antrieb enthalten, die mit allen Arten von Hauptantrieben verbunden werden kann. Das Thruster-Command-Kontrollsystem besteht aus der Thruster Control Unit direkt am Strahlantrieb und dem Remote Control Panel auf der Brücke.
Eine Sonderstellung bei den »Multitasking-Antrieben« nimmt die Firma Voith ein. Der Name Voith, speziell der Begriff Voith Schneider, steht als Synonym für eine ganz besondere Antriebstechnik. Der VSP (Voith Schneider Propeller) wird als »einfach« beschrieben: Auf einer kreisförmigen Scheibe am Schiffsboden sind senkrecht bewegliche und steuerbare Flügelblätter angebracht – je nach Typ zwischen vier und sechs. Rotiert die Scheibe, wird Schub erzeugt. Die Drehzahl der Scheibe bestimmt die Kraft, die Stellung der Flügel die Richtung.
Kurze Reaktionszeiten
Dieses seit 90 Jahren in verschiedensten Anwendungen bewährte System wird beispielsweise bei Hafenschleppern, Fähren, Yachten oder Offshore-Versorgungsschiffen eingesetzt. Dank kurzer Reaktionszeiten auf Steuerbefehle ermöglicht der VSP auch unter widrigen Bedingungen schnelles, sicheres und präzises Manövrieren und Positionieren. Überall dort, wo dies, auch unter schwierigen Bedingungen, gefragt ist, findet sich ein VSP-Antrieb.
Daneben ist der Voith Radial Propeller (VRP) Teil des Portfolios. Voith Inline Thruster (VIT) und Voith Inline Propulsor (VIP) sind Propellerkonzepte, die als Strahlruder oder als Antrieb genutzt werden. Sie sind achslos und benötigen weder Welle noch Getriebe. Der Voith Linear Jet (VLJ) verbindet die Vorteile von Propellern mit denen des Waterjets. Er kommt neben VSP und VIT / VIP beispielsweise bei Fähren oder Yachten zum Einsatz.
Die elektrische Version des Voith Schneider Propellers heißt eVSP. Damit will das Unternehmen einen Beitrag zur Elektrifizierung der Schifffahrt leisten, heißt es beim Hersteller. Der eVSP nutzt einen PM-Synchronmotor als Hauptantrieb, dabei konnte das benötigte Ölvolumen und die Komplexität des Propellers reduziert werden. Der Verzicht auf ein Getriebe reduziere die Geräuschentwicklung auf ein Minimum und senke zudem den Wartungsaufwand.