Ab 2022, so die Vereinbarung des »Green Deal« in den Niederlanden, ist die Beigabe von biobasiertem Diesel verpflichtend. Mit der Verwendung von FAME (Fatty Acid Methyl Esters) haben die Binnenschiffer allerdings zunehmend Probleme. Von Hermann Garrelmann
Mit einem Brandbrief an die zuständige Staatssekretärin haben jüngst die Algemeene Schippers Vereniging (ASV) zusammen mit dem Versicherer EOC auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die aus dieser Vorgabe entstehen. Bereits Anfang des Jahres hatte es ähnliche Kritik, auch von Bunkerbetrieben unterstützt, gegeben.
Es gibt bereits Meldungen über den Ausfall von Motoren und weitere Störungen, wenn Maschinen auf einem mit FAME vermengten fossilen Diesel gefahren sind. Bis zu 7 % kann die Beimengung betragen, die aus Gründen des Umweltschutzes zur CO?-Reduzierung vorgenommen wird. Auch soll der Schmiereffekt durch Biodiesel verbessert werden. Nicht alle als Biodiesel bezeichneten Produkte führen zu Problemen. Die Verwendung von HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) wird als nahezu risikofrei angesehen. Aus Kostengründen, denn FAME ist ein günstiges Produkt, wird aber oft auf dieses Produkt zurückgegriffen. Manche nennen es auch einen Abfallstoff. »Wir wollen nicht das Risiko eingehen, dass wir als Binnenschiffer gebraucht werden, um mit etwa 5.000 Verbrennern gebrauchtes Bratenöl zu verfeuern«, heißt es kritisch aus der Branche.
Im Einzelnen nennt der ASV folgende Probleme:
- Der aktuelle Diesel entspricht der EN590-Norm. Mit mehr als 5 % Zusatz von Bio in diesem Diesel verschlechtert sich der Kraftstoff, der dann nicht mehr der EN590-Norm entspricht. Die Motoren sind aber für Brennstoffe mit dieser Norm entwickelt worden.
- Motoren, die abwürgen, weil die Filter und Leitungen verstopft sind.
- Sowohl mit Change TL als auch mit regulärem Diesel (Gasöl) gibt es Probleme mit Beimischungen.
- Injektoren, die nach sieben bis zehn Monaten der Verwendung von CTL ausgetauscht werden müssen, kosten unnötig Geld.
- Im Bericht von TNO 2020 R11455 spricht man von Good Housekeeping, also der besonderen Sorgfalt und Aufmerksamkeit sowie Geldeinsatz für den Einsatz von Biodiesel. Hier werden Verantwortung und Mehrkosten wieder ganz auf die Binnenschiffer verlagert.
- Die Bunkerunternehmen bestätigen inzwischen, dass es »nicht gut ist für die Motoren des Schiffes«.
- In den Bunkerbooten sehen die Bunkergesellschaften nun auch selbst Ausflockungen und Schlamm.
- Dies ist auch bei Sportbooten der Fall.
- Biodiesel ist bei Lagerung nur begrenzt haltbar; es wird empfohlen nach dem Bunkern im Schiff Biodiesel innerhalb von etwa zwei Monaten zu verbrauchen.
- Biodiesel ist eine Rechengröße mit der CO?-Reduktionsziele erreicht werden sollen. Beispiel: bei 3 %-iger Zugabe von FAME wird eine Reduzierung von 6 % unterstellt.
- Großer Nachteil: Die NOx-Emissionen steigen an. Feinstaub wird zunehmen.
- Kraftstoff mit Bio ist nicht wirtschaftlicher, im Gegenteil: es verbraucht mehr davon. Also gibt es eine CO2-Erhöhung.
- Wenn Kraftstoff verwendet wird, der nicht der Norm EN590 entspricht (d.h. Vermischung mit FAME um mehr als 5 %) und Schäden wie oben angegeben auftreten, kann die Versicherung von ihrer Leistung zurücktreten. Man spricht dann von »Verschleiß« oder von »Schäden durch Abnutzung«.
- Da es unmöglich ist, die Zusammensetzung des FAME zu erkennen, insbesondere was den Säuregehalt betrifft, kann Korrosion auftreten. Das kann zu Rost in den Tanks und Nachbehandlungssystemen führen
- Es ist auch bekannt, dass der Zusatzstoff zu Bakterienwachstum führen kann, mit der Folge von mehr Korrosion.
- Es wird erwartet, dass es eine Verknappung von FAME geben wird, dann würde es importiert werden. Das heißt zusätzliche CO2-Emissionen bedeutet einen höheren Preis.
»Nicht zum ersten Mal werden die Verantwortung und die damit verbundenen zusätzlichen Instandhaltungskosten vollständig der Binnenschifffahrt aufgebürdet, einem Sektor, von dem seit Jahren erwartet wird, dass er mit nie dagewesenen Margen arbeitet«, heißt es seitens des ASV.
Neben den technischen Problemen befürchten die Briefschreiber auch einen verstärkten Tanktourismus. Wenn es in den Niederlanden nur noch FAME-Blend gebe, würden viele Binnenschiffer in den angrenzenden Ländern wie Deutschland und Belgien bunkern, wo dieser Stoff nicht verwendet würde.
Aus all den genannten Gründen fordern Verfasser die Regierung auf, die Verpflichtung zur Beimengung von Biokraftstoffen wie FAME zurückzunehmen. Ob das gleichzeitig hieße, eine Möglichkeit zur Reduzierung von CO2 ungenutzt zu lassen, ist nicht ausgemacht. Um die geforderten Ziele zu erreichen, stünden andere, risikoärmere Möglichkeiten zur Verfügung.
Nach dem aktuellen Stand hat der ASV noch keine Antwort aus dem Ministerium erhalten. »Doch der Ball scheint jetzt ins Rollen zu kommen, da immer mehr Menschen wissen, was FAME ist und tut«, resümiert der ASV.
Der ASV hat sich inzwischen auch an andere Beratungspartner gewandt, wie die Provinz Nordholland und den Hafen von Amsterdam. Es scheint, dass sie die Bedenken der Schiffer ernst und nicht auf Unfälle warten wollen, die durch FAME entstehen. Sie haben erklärt, dass sie die vorhandenen Möglichkeiten nutzen wollen, um andere Wege zu finden.
Verpflichtende Beimischung zwingt Schiffer zum Bunkertourismus
Niederländische Verlader werden zukünftig massenhaft im Ausland bunkern, wenn im eigenen Land nur noch Biokraftstoffmischungen verfügbar sind. Laut der Forschungsagentur Panteia ist dieser so genannte »Bunkertourismus« kein Mythos. Bis zu 83 % des Bunkervolumens könnten ins Ausland transportiert werden.
Eine aktuelle Umfrage von NOVE, dem Verband der Bunkerfirmen, ergab, dass die Mehrheit der niederländischen Binnenschiffer keinen Cent für das Bunkern von Biokraftstoffen erübrigen wollen. Das Untersuchungsbüro Panteia geht von einer Preissteigerung von 80 € pro m3 ab 2022 aus. Ab dem nächsten Jahr können Bunkertankstellen FAME und das teurere HVO selbst beifügen oder sich von ihrer Beimischungsverpflichtung freikaufen. In jedem Fall entstehen dadurch zusätzliche Kosten für den Kunden.
Die Beimischung von Biodiesel, der unter anderem aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt wird, soll zu einem starken Rückgang der CO?-Emissionen führen. Die niederländische Regierung möchte, dass der Anteil der nachwachsenden Kraftstoffe im nächsten Jahr mindestens 16,4 % beträgt. Von insgesamt 3,1 Mio. t CO?-Emissionen der Binnenschifffahrt würde dies eine Einsparung von 400.000 t CO? bedeuten.
Panteia geht jedoch davon aus, dass die gesamten CO?-Emissionen der Binnenschifffahrt in Europa sogar ansteigen werden, wenn die Mischungspflicht nur in den Niederlanden eingeführt wird. Denn die Schiffe würden weiterhin mit billigerem fossilem Gasöl fahren und damit zusätzliche Kilometer zurücklegen.
Das Forschungsbüro kommt zudem zu dem Schluss, dass die Einnahmen der niederländischen Bunkerstationen von 390 Mio. € pro Jahr auf 70 bis 80 Mio. € pro Jahr sinken werden.
Im Namen von NOVE bat Henk Wolthaus die scheidende Ministerin Van Nieuwenhuizen, das Einführungsdatum 1. Januar 2022 zurückzunehmen. Die Ministerin wird so weit nicht gehen. Sie will gemeinsam mit den Beteiligten in der Binnenschifffahrt einen Vorschlag für verantwortungsvolles Blending erarbeiten.
Das Repräsentantenhaus hat die Ministerin kürzlich aufgefordert, etwaige technische Störungen zu untersuchen, die durch den Einsatz von Biokraftstoffen in Schiffsmotoren verursacht werden. Eine Mehrheit im Repräsentantenhaus forderte sie außerdem auf, die Beimischungspflicht nicht durchzusetzen, solange nicht bewiesen ist, dass Biokraftstoff geeignet, nachhaltig und sicher ist.