Seit über 70 Jahren fertigt und entwickelt das Spayer Unternehmen Schottel rundum steuerbare Antriebs- und Manövriersysteme. Den Grundstein für die heute weltweit agierende Firma, die dieser Tage 100 Jahre ihres Bestehens feiert, legte einst Josef Becker
Das Jahr 2021 ist ein besonderes für Schottel, denn am 21. November jährt sich der Tag der Unternehmensgründung durch Josef Becker zum 100. Mal. In einem kleinen Dorf am Rhein baute der gelernte Schlosser einen Handwerksbetrieb auf und schrieb knapp 30 Jahre später mit der Erfindung des rundum steuerbaren Ruderpropellers Schifffahrtsgeschichte.
»Unsere Geschichte ist davon geprägt, zum passenden Zeitpunkt Mut gezeigt und den nächsten größeren Schritt gewagt zu haben. Josef Becker hat 1921 dafür den Grundstein gelegt. Seitdem ist Schottel mit der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Schiffsantrieben kontinuierlich gewachsen. Heute sind unsere Antriebslösungen auf allen Weltmeeren zu Hause und unterwegs. Was wir tun, tun wir mit ganzem Herzen – in allen Verantwortungsbereichen, nach demselben hohen Maßstab, auf der ganzen Welt«, sagt Stefan Kaul, Chief Executive Officer von Schottel.
Anfänge des Unternehmens
Nachdem Josef Becker im November 1921 die »J. Becker Maschinenbau-Werkstätte« gegründet hat, baut und repariert er Maschinen für die ansässigen Bauern. 1925 folgt der Schritt vom Land aufs Wasser: Mit der Schaluppe entwickelt er ein Beiboot, das durch große, fest eingebaute Luftkästen unsinkbar ist und sich sowohl leicht rudern als auch wenden lässt. Nur wenige Jahre später entwirft und baut Josef Becker unterschiedliche Motorboote, damals noch eine Seltenheit auf dem Rhein. Um dem wachsenden Platzbedarf Rechnung zu tragen, erfolgt 1934 der Bau einer Werft auf einem nahe gelegenen Grundstück, am Rheinkilometer 578,4.
Der Ruderpropeller
Ende der 1940er-Jahre sitzt Josef Becker an der Erprobung eines Antriebs, der die Schifffahrt revolutionieren wird: des Schottel-Ruderpropellers. Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen greift er auf den bekannten Außenbordantrieb zurück. Er findet die Lösung in einem Z-Antrieb ohne separates Ruderblatt mit einem um 360 Grad endlos um die eigene Achse steuerbaren Propeller. Damit werden erstmals Steuerung und Antrieb vereint und Schiffen wird die volle Kraft der Antriebsmaschinen zum Manövrieren zur Verfügung gestellt. Mit dieser Erfindung ebnet er dem Unternehmen den Weg in die Zukunft. Aufträge treffen in rascher Folge aus dem In und Ausland ein. 1967 stattet Schottel mit der »Janus« den ersten Hafenschlepper mit Ruderpropellern aus. Sie setzt den Startpunkt für eine Revolution auf dem Markt der Schub und Schleppboote.
Internationalisierung ab 1958
Parallel schreitet die Internationalisierung des Unternehmens voran. 1958 wird mit Schottel Niederlande die erste Niederlassung im Ausland gegründet, weltweit folgen über ein Dutzend weitere. Heute ist das Unternehmen in den bedeutendsten Schifffahrtszentren der Welt vertreten. Analog vergrößert sich die Belegschaft: Angefangen mit einem ersten Lehrling im Juli 1922 beschäftigt die Gruppe derzeit rund 850 Mitarbeiter.
Schlepper, Fähren, Offshore-Schiffe
Immer wieder gibt Schottel mit neu entwickelten Antriebslösungen die Antwort auf aktuelle Anforderungen der maritimen Branche. Neben dem globalen Schleppermarkt, in dem sich Schottel früh die Vorherrschaft sichern konnte, stattet das Unternehmen zahlreiche Fähren aus. Ende der 1990er-Jahre ermöglichen Neuentwicklungen für den Fährenmarkt den Sprung vom Hafenbecken auf die hohe See. In dem bis zum Jahr 2015 andauernden OffshoreBoom sichert sich das Unternehmen einen Marktanteil von 20% im Bereich der Offshore-Versorger.
Wismar und Dörth
1998 übernimmt Schottel die Wismarer Propeller und Maschinenbau GmbH (WPM) und erweitert damit das Produktportfolio um Verstellpropeller bis 30 MW. Daneben werden in Wismar heute ausfahrbare sowie besonders große SRP-Anlagen gefertigt. Als der Gründungsort Spay keine Ausdehnungsflächen mehr bietet, wird 2015 im nahe gelegenen Dörth ein neuer Produktionsstandort eröffnet. Dort kann die traditionell hohe Fertigungstiefe sowohl erweitert als auch die Produktionskapazität um ca. 30 % gesteigert werden. Optimierte Abläufe in der Produktion, eine Lehrwerkstatt für den Nachwuchs, ein motivierendes Arbeitsumfeld und ein engagierter Umweltschutz machen Dörth zu einer der modernsten Ruderpropellerfabriken der Welt.
Lösungen für Schiffe aller Art
Heute finden sich Schottel-Produkte in nahezu allen Schiffstypen. Neben Schleppern, Offshore-Schiffen, Yachten, Passagierschiffen hat das Unternehmen laut eigenen Angaben eine stabile Marktposition in der kommerziellen Schifffahrt sowie im Bereich der Marine- und Behördenschiffen. Das gilt für Neubauten gleichermaßen wie für Modernisierungen. Automations, Propulsionskontroll und Hybridantriebssysteme erweitern das Portfolio, ergänzt um Servicedienstleistungen.
Mehr als 100 Ingenieure sind bei dem Unternehmen in verschiedenen Fachabteilungen beschäftigt. Darüber hinaus bietet Schottel Beratungsdienstleistungen sowie einen weltweiten After Sales- und Verkaufsservice. Zum Unternehmen gehören ferner vier Schulungszentren, in Spay, dem US-amerikanischen Houma, in Singapur und dem australischen Fremantle.
»Der Kunde steht im Mittelpunkt unseres täglichen Tuns. Wer sich in der maritimen Branche an Schottel wendet, darf schon immer Produkte und Services auf höchstem Niveau erwarten«, so Stefan Kaul, »Unser Ziel ist es, die erste Wahl bei Schiffsantriebslösungen zu sein. Dafür legen wir unseren ganzen Erfahrungsschatz und die gesamte Innovationskraft in die Weiterentwicklung von bestehenden und neuen Bereichen. Auf diese Weise wird es uns gelingen, mit dem starken Erbe Josef Beckers weiterhin Kurs auf eine große Zukunft zu nehmen.«